von Michael Schober
Tansania 2001
Ja, damals war noch reichlich Schnee am Kili.
Wir waren bereits seit 5 Tagen auf der Machame Route unterwegs zum Uhuru Peak, dem Gipfel des 5895m hohen Kilimanjaro. Eine 8-köpfige Gruppe, darunter mein 21jähriger Sohn Florian, 2 heimische Guides und etliche Trägern..
Vorher hatten wir zur Höhenanpassung den 4562m hohen Mount Meru bestiegen, was sich als sehr vorteilhaft erwies. Es wurde niemand höhenkrank und alle kamen auf den Gipfel.
Gestartet wurde nach Aufteilung der Großrucksäcke auf die Träger vom Machame Gate in 1800m Seehöhe durch sumpfigen, dichten Regenwald über die Machame Hut auf 3000m wobei wir völlig durchnässt wurden. Weiter ging es zur Shira Hut auf 3840m wo wir versuchten die nassen Sachen zu trocknen. Geschlafen wurde in winzigen 2-Mann Zelten. Nach einem kurzen Abstecher zum Lava Tower auf 4600m nächtigten wir am 3. und 4. Tag am Barranco Camp in 3950m Höhe, wobei ein Tag zur Höhengewöhnung und Rast genutzt wurde. Hier ging der Regen in Schneefall über. Wir verbrachten den Ruhetag im Zelt mit Kartenspielen und kurzen Wanderungen. Am Tag 5 stiegen wir zum Arrow Gletscher auf ca. 4850m, dem letzten Camp vor dem Gipfel. Ab 4000m waren wir ausschließlich im Schnee unterwegs. Das Wetter wurde immer besser, es hörte auf zu schneien und klarte auf. Florian und ich waren im Zelt und ruhten uns aus als ich um 20 Uhr ein unheimliches Donnern hörte und an ein Erdbeben dachte. Barfuß sprangen wir aus dem Zelt und suchten Schutz hinter einem Felsen, wie viele andere auch. Das Donnern stellte sich als gewaltige Schnee-und Stein-Lawine heraus, die ca. 50m vorm Camp zum stehen kam. Es war mir schon mulmig zumute, sollten wir doch um Mitternacht über den Lawinenkegel zum Gipfel starten.
Um 24 Uhr ging´s bei klirrender Kälte von -15 Grad und völliger Dunkelheit los. Die beiden Guides, Peter und Clemens schlugen Stufen in die Eisablagerungen über die wir die ganze Nacht sehr steil und teilweise in leichter Kletterei aufstiegen. Die Kälte und immer dünner werdende Luft machte mir schon zu schaffen. Die Stirnlampe gab den Geist auf. Florian ging’s recht gut. Eine Gefährtin erlitt einen Kreislaufkollaps – nach ein paar Minuten Reikibehandlung und Effortiltropfen konnte sie jedoch weitergehen. Um 6 Uhr wurde es endlich hell und wir standen, ziemlich fertig und durchfroren 200hm unterhalb des Gipfels. Nur noch 200hm… Es wurden die längsten 200hm meiner bisherigen Bergfahrten. Noch 2 Stunden Schritt um Schritt, schon sehr langsam, „pole, pole“ wie die Träger auf Suaheli sagen näherten wir uns dem Gipfel.
Um 8 Uhr standen wir erschöpft aber überglücklich auf dem Gipfel. Umarmungen, Schluchzen, Glückwünsche… Es war eine sehr, gefühlsintensive Situation, durfte ich doch nach einem Jahr der Vorbereitung, aber auch der Zweifel, hier gemeinsam mit meinem Sohn auf dem Dach Afrikas stehen.
Dankbar, stiegen wir auf 4000hm ab und verbrachten eine letzte Zeltnacht am Kili….
© Michael Schober 2019-04-11