von Anna Merta
Irgendwie lässt es mich nicht los. Dieses „Soll das etwa schon alles gewesen sein?“-Gefühl. Die Frage, die sich nun stellt, ist, ob es sich dabei um ein völlig normales Hinterfragen von Menschen um die 40 handelt oder ob man dieser Sache vielleicht doch nachgehen sollte. Freundin M. meinte augenrollend „Geh bitte, is´ ja eh klar, das haben alle in ihrer Lebensmitte!“ Komische Aussage, wenn ich morgen von einem Auto überfahren werde, geht sich das aber nicht mehr aus mit der Mitte. Und wer weiß, vielleicht sitze ich wirklich noch mit 95 quietschfidel im Lotussitz im Yoga-Kurs? Ich halte es ja für einen Riesenvorteil, dass wir nicht wissen, wann es aus ist. Da gibt’s diese tolle Frage, was man alles machen würde, hätte man nur mehr ein Jahr zur Verfügung. Also ich würde vermutlich gar nichts mehr machen, würde bestenfalls in eine Schockstarre verfallen, schlechtestenfalls in eine depressive Grundstimmung, die mir stets einflüstert: „Zahlt sich eh nicht mehr aus, noch was anzufangen.“ Soweit so gut, die Zeit bis zum Lebensende ist also eine Variable. Aus dem Mathematikunterstufenunterricht (was für ein Unwort!) kenne ich noch die Unbekannte aus den Gleichungen, die es zu berechnen galt. Damals wie heute: manchmal geht das halt einfach nicht. Ändert alles nichts an der Tatsache, dass ich immer noch nicht weiß, ob ich bis zu meinem Lebensende oder eher bis zum Pensionsantritt tagtäglich mehr oder minder motiviert ins Büro trotten werde, um dort mehr oder minder sinnvolle Tätigkeiten auszuüben. Oder werde ich irgendwann doch das tun dürfen wofür ich wirklich glühe, wo die Funken sprühen vor Leidenschaft und sich Arbeit nicht wie Arbeit anfühlt? Aber da müsste man schon weit raus aus der Komfortzone, meilenweit eigentlich. Und blöd, dass ich nicht besonders gut in Quantenphysik bin, sondern in Dingen, die auch Tausende andere gute können. Mit 20 war ich noch sicher, dass ich niemals zu dieser frustrierten Bürogruppe gehören würde. Ich befürchte, jetzt bin ich part of the game. Das Gehalt ist gut und man braucht das Geld auch für die schönen Urlaube. Bei so vielen Qualen im Arbeitsalltag, will man sich ja schließlich auf etwas freuen dürfen. Hätte man eine erfüllende Aufgabe, müsste man sich aber nicht dauernd auf den Urlaub freuen. Das war mit 16 auch nicht anders als man nur von Wochenende zu Wochenende lebte. Irgendwann ist das anders, dachte ich damals. Jetzt erkenne ich, dass ich mich da wohl getäuscht habe. Dieses Gefühl gefällt mir gar nicht. Es ist nie zu spät etwas zu ändern, egal was es ist. Vielleicht ist gerade heute der beste Tag damit zu beginnen sich mit der Zukunft auseinanderzusetzen? Warum nicht? Früher dachte ich immer, die Dinge passieren, heute weiß ich, man muss es schon forcieren – die Veränderung. Von allein passiert zumeist nicht viel, außer vielleicht im Märchen.
© Anna Merta 2021-08-31