Spaghetti Bolognese

Anny

von Anny

Story

Ich bin zu Gast bei ihm, einem netten frommen Mann mit Manieren. Er kocht für mich, kocht sogar viel zu viel. Ein Blick in den Topf und es ist Spaghetti Bolognese. Der Duft wahrscheinlich schmackhaft und die Süße kitzelt alle meine Sinne. Kaum kann ich es erwarten, stehen sie im nächsten Moment auch schon am Tisch. Zwei Teller, zwei Portionen, unwiderstehlich. Der Koch … auch nicht schlecht. Doch die imaginäre Chefmütze lässt die Romantik, wie eine hauchdünne Seifenblase platzen. Der Hunger ist schon längst zu groß, jetzt wird gegessen und wie wüst gefressen. Spaghetti für Spaghetti wird geschlungen, sodass sie sich von meinem Schlund bis in den Darm durch meinen Körper weiter windet.

Der Höhepunkt ist schnell erreicht, denn die Sättigung schlägt schon ein. Am Esstisch werfen wir uns Blicke zu, die Blicke eines satten Kampfes, den wir beide mit uns selbst austragen. Ein verkrampftes Lächeln bahnt sich vor. Der Mann, der schluckt es, gemeinsam mit den Spaghetti. Immer öfter werden Blicke hin und her geworfen, wie ein Pingpongspiel ohne Schläger. Je mehr sich mein Magen mit Ballast füllt, desto hässlicher wird das Essen. Der Geschmack verliert all seine Süße. Reine Rohheit des Gerichts ist jetzt mit der rot gefärbten Zunge zu ertasten. Sogar jedes Kohlenhydrat jeder einzelnen Nudel ist herauszuschmecken und schweren Herzens zu verdauen. Der bittere Geschmack von verfaulten Tomaten tritt allmählich in den Vordergrund meines Gaumens und das faschierte Fleisch, ein wildes Tier, dass sich mein Zäpfchen krallt und damit bedrohlich herumspielt, sodass mir speiübel wird, sträubt sich und wird auch immer zäher zu kauen. Das Salz des Kochwassers, in dem sich vor kurzem noch die Nudeln erweichten, lässt meine Augen vom prickelnden Natriumchlorid etwas glasig werden und der Pfeffer erschwert das Essen mit seiner Schärfe, sodass ich etwas zum Schwitzen beginne und die Feuchte unter meinen Augen spüre. Der anfangs süßliche Parmesan, der jetzt an Schimmelkäse erinnert, gibt auch einen mit schimmligem Käse vergleichbar grauslichen Geruch ab, sodass der Gestank meine Geschmacksnerven betäuben kann. Scheint der Teller leer, wird alles schließlich mit einem Glas Rotwein runtergespült. Der Alkohol desinfiziert meine Mundhöhle gut genug, um dem Mann nach diesem Gericht auf Wiedersehen zu sagen. Sehen werden wir uns wohl nicht mehr.

© Anny 2021-07-27

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