Spiegelkind

NoraWinter

von NoraWinter

Story

Ich trag‘ einen Spiegel vor mir, für dich. Mein ganzes Leben schon. Du erkennst dich darin wieder, er reflektiert das Licht. Eine wundervolle Mama, die ihr Kind liebt. Genau, wie sie selbst es vermisst hat. Gott nimmt und er gibt.

Du beschreibst mir in Facetten, erzählst Gefühle, dein Bild dazu. Ich höre und ich lerne, was ich fühle, sagst mir du. Die Last wird langsam schwerer, ich spür‘ sie aber nicht. Spiegelbilder, du beschwichtigst, haben doch kein Gewicht!

Drapierst mich samt Spiegel, als dich, bis du erkennst. Ach, so war das damals! Rückst mich ins rechte Licht. Sendest Wellen, sie treffen, inszenierst und nimmst auf. Findest so erst deine Grenzen, meine fallen zuhauf.

Erklärst dem Spiegel „Ich muss dich schützen“ – und meinst zuallererst dich. Dahinter ausgeliefert, Wellen brechen über mich. Hier bei dir glatte Flächen, warmes Lächeln im Gesicht. Dieses Bild will ich uns nicht nehmen, immer trag‘ ich es mit. So viel wäre dann verloren? Meine Angst weiß es nicht.

Spiegel kann man nicht umarmen, aber sagen, dass man liebt. Seine scharfen Kanten schmerzen – ein Gefühl, das er gibt. Und ich halt‘ ihn immer länger, will dass du heilst und dich ganz siehst. Bitte blick‘ auch dahinter, sag‘ auch dort, dass du liebst!

Alles was du je gesehen hast ist im Spiegel passiert. Meine Wahrheit ist ganz anders, tief gefühlt und verwirrt. Meine Hände gebunden, lass ich ihn los, dann auch dich.

Vielleicht würde ich fallen, er und du, ihr zerbrecht.

Tiefes Dunkel, tiefe Schuld. Was dann tun? Du ganz blind?

Frag dein Herz!

Spiegelkind.

© NoraWinter 2020-06-27