Sprachlos im Mekongdelta

Kesharinii

von Kesharinii

Story

Die Region, in der ich die meisten Verständigungsprobleme hatte, war das Mekongdelta in Südvietnam. Im Nachhinein ist es mir ein Rätsel, warum ich unbedingt dort hin wollte. Wahrscheinlich hat mir die Bezeichnung „Neunköpfiger Drache“ für das Delta so gut gefallen und mythische Phantasien geweckt. Das hat sich vor Ort nicht bestätigt, denn die flache Landschaft bot außer unzähliger Wasserarme und Kanäle nicht sehr viel Abwechslung. Zum Zweiten hatte ich in den Jahren davor den Mekong in Nordlaos bereist und war von seiner ungestümen Wildheit so beeindruckt, dass ich den Wunsch verspürte, auch seine Mündung kennen zulernen.

Die Bewohner des Deltas waren sehr freundlich und höchst geduldig mit uns, nur sprach fast niemand Englisch. Das war vor allem für meine Reisegefährtin bitter, die es liebt, unentwegt Fragen zu stellen. Nur in diesem Fall erntete sie bloß fragende Blicke, freundliches Lächeln oder ein paar Sätze auf Vietnamesisch. Wir bemühten uns redlich, ein paar grundlegende Höflichkeitsfloskeln zu erlernen, um den Einwohnern den gebührenden Respekt zu erweisen, scheiterten aber bereits an so einfachen Wörtern wie „Danke“. Es klang für uns so ähnlich wie „Ga Meu“ oder „Ka Mö“, und als Eselsbrücke diente uns der Wiener Dialektausdruck für Kamel, eben „Kamöh“. Nur leider wurden wir von niemanden verstanden.

Vietnamesisch ist für europäische Ohren und Zungen schon deshalb höchst schwierig, weil es sich wie bei Thai und Lao um eine Tonsprache handelt. Man unterscheidet hohe, mittlere, tiefe, aufsteigende und abfallende Vokale. In der lateinischen Umschrift sind diese durch Zusatzzeichen gekennzeichnet. So bedeutet der folgende Thai-Satz „mái mài mâi măi“ soviel wie „Frisches Holz brennt, oder nicht?“.

In einem abgelegenen Guest House an einem Deltaarm bei Ben Tre sprach nur der Hausherr ein wenig Englisch. Doch dieser war nicht immer anwesend. Als er abends auftauchte, erklärte er uns umgehend, heute könne er gar nicht mit uns reden, denn er habe zu viel Reiswein getrunken und sei besoffen. Eine Entschuldigung murmelnd verschwand er im Bett und übertönte mit seinem Geschnarche das zarte Zirpen der Grillen in der Nacht.

In der Nähe der Stadt Long Xuyen gab es einen Storchenwald, in dem eigentlich keine Störche, sondern eine Reiherkolonie ihrem Brutgeschäft nachging. Diesen wollten wir besuchen. Doch selbst im örtlichen Tourismusbüro konnten wir mangels ausreichender Sprachkenntnisse nicht herausfinden, wie hinzukommen wäre. Wir wussten nur, dass wir einen Bus nehmen müssten. Diese Tatsache verhalf uns zum zweiten Wort, welches wir erlernten, „Xe Bit“, das heißt soviel wie Busstation. Und so standen wir am nächsten Tag früh am Morgen vor unserem Hotel, schwenkten unsere Arme wie flatternde Reiherflügel und wiederholten wild entschlossen „Xe Bit, Xe Bit, Xe Bit!“, bis uns ein paar mitfühlende Seelen in den richtigen Bus verfrachteten, wo wir die brütenden Reiher im Bambuswald bewundern konnten.

© Kesharinii 2019-09-09