Oft trug es sich zu, dass wir die vergnĂŒglichen Reisen in unsere Sommerfrische an der Adria mit schon etwas betagten Schiffen auf diese Weise und nicht mit dem Wagen unternahmen. Nur in der Nacht von entweder Triest oder Rijeka zu fahren und somit die wunderschöne KĂŒstenregion nicht zu sehen, empfand ich dennoch ungemein reizvoll. Scheinbar ist es ein altes menschliches BedĂŒrfnis, immer wieder in eine Höhle zurĂŒckzukehren, aus der wir alle ja stammen. Das Boot gleicht dann fĂŒr kurze Zeit einem wĂ€rmendem Inkubator, der bei Wind, Wetter und hohen Wellen stets Sicherheit und sanfte Geborgenheit gewĂ€hrt. Und fĂŒr wahr vermittelte jede bewegte Ăberfahrt dieses unvergessliche GefĂŒhl wohligen Schutzes in der kleinen Welt der noch ĂŒberschaubaren FĂ€hren. Beim allmĂ€hlichen Verlassen des Hafens folgte nach einem schon eingeĂŒbten Ritual der ersehnte Besuch der bereits offenen Schiffsbar. Hier entdeckten unsere erstaunten Augen die letzten rötlichen Sonnenstrahlen, bevor die unabdingbare DĂ€mmerung die böige Nacht ankĂŒndigte. Meine Freundin rĂŒckte ihren Stuhl zu mir, und einander den Aperitif freudig zustoĂend schien das GlĂŒck fĂŒr eine Weile zumindest nahe. Als die ersten Wellen das rhythmische Rollen des Boots ankĂŒndigten, die orkanartige kĂŒhle Bura ĂŒber die Planken strich und ferne Lichter unseren Weg vorzeichneten, schritt der adrett gekleidete Ober mit seiner schrillen Glocke ĂŒber das schon feuchte Deck.
WĂ€hrend die schmale Mondsichel und Venus ihr Stelldichein gaben, verfĂŒgten wir uns in das beschauliche Bistro, nahmen an einem dem Fenster nahen Tisch Platz und harrten der OuvertĂŒre des mediterranen Diners. Der behĂ€nde kredenzte Rotwein folgte im breiten Glaskelch dem des Wellengangs und erheiterte die Mitreisenden ebenso wie uns. Leicht schwankend betrat der beleibte und schwitzende Kellner seine BĂŒhne. Mit einem gleichwohl schaukelnden Tablet erreichte der zu bedauernde Artist die in sich ruhenden Tafeln. âBon Appetitâ, allerdings im slawischen Dialekt, meinte er und rollte selbstsicher weiter. Nach dem gelungenen Auftakt unserer Ferien, machte der KapitĂ€n seine unerwartete Aufwartung, da er vermutlich Hunger hatte. Mit seinem Offizier genoss seine Eminenz prĂ€chtige Scampi, die seinem und dem Umfang des Obers glichen. Meine verdutzten Blicke erkennend rief er:“Kommt her ihr beidenâ, nicht ahnend, dass ich seine crescendoartige Redensart verstand. Nach weiteren GlĂ€sern feurigen Weins, stimmte er einen italo-slawischen Gesang an, dem die Verbliebenen folgten. Selten war es mir vergönnt, eine so betörende Nacht unter dem funkelnden Himmelsrund zu erleben. Irina erstrahlte ob des ungewöhnlichen Mitternachtsempfanges auf See. Am frĂŒhen Morgen meinte er beim gemeinsamen Verlassen des Schiffs lachend: âArrivederci amigos, bis bald“. In Omis lebte sein Schwager, und so sahen wir uns Tage spĂ€ter und segelten auf seiner ansehnlichen Jacht in die sommerliche, aber noch windige Adria hinaus.
© Michael M. Stanic 2020-06-07