Warum kommt man als Vegetarier ausgerechnet in die Mongolei?
Dieser Frage musste ich mich des Öfteren stellen. Um ehrlich zu sein, hatte ich mir darüber keine Gedanken gemacht. Da ich – bis auf dieses kleine Detail – beim Essen recht unkompliziert bin und immer satt wurde, egal wo ich war.
Mongolian Barbecue, das wir im Westen kennen, ist ja nur eine angepasste Form dessen, was man in der Mongolei darunter versteht – also auch vegetarisch möglich. In seiner ursprünglichen Form lernte ich es bei meinen Trips zu den Nomaden kennen, wo man Fleisch mit heißen Steinen in einer Milchkanne gart. Die eleganten Grillplatten haben sie in der Steppe nicht.
Ansonsten sind mir typische Gerichte, wie Buuz (mit Fleisch gefüllte Teigtaschen), aufgrund meiner kleinen Kapriole verwehrt geblieben. Was ich in kaum einem Reiseführer gelesen hatte, ist, dass die Nomaden auch – wie ich meine – fantastische Milchprodukte herstellen. Davon kennt man am ehesten Airag, die vergorene Stutenmilch.
Wie ich aß Nyamsuren kein Fleisch, weshalb sie immer zwei Gerichte kochte, eines für Tsengel und eines für uns beide – es gab aber immer dasselbe: Sie machte das, wie sie gelernt hatte, Fleisch zu kochen. Man ernährt sich hier tatsächlich fast nur von Fleisch. Nyamsuren stellte zwei große Töpfe mit Salzwasser auf den Herd, in den einen gab sie Kraut, Tomaten und das, was sie gerade im Supermarkt bekam, in den anderen Fleisch, das sie vorrätig im Gefrierfach hatte. Eine bestimmte Zutat kam erst dazu, als das Essen im Teller angerichtet wurde: Ketchup. Nyamsuren und Tsengel waren stolz darauf, mir Ketchup aufwarten zu können. Eine westliche Zutat, die für sie vermutlich so etwas wie Wohlstand bedeutete.
Als ich einmal mit Dege in einem Restaurant aß und mir Reis mit Gemüse bestellte, sah sie mich plötzlich durchdringend an und sagte: „Weißt du eigentlich, dass das, was bei euch in Österreich Luxus ist, für die Mongolen ein Zeichen für Armut ist?“
Ich wusste nicht, was sie damit meinte.
„Fleisch in Salzwasser gekocht.“
Ich wusste noch immer nicht, worauf sie hinaus wollte.
„Euer Tafelspitz ist das, was die Mongolen essen, um zu sparen. Das Fleisch, das sie von ihrem Vieh bekommen, kochen sie in Wasser mit Salz. Die Mongolen in der Stadt nehmen dafür das billigste Fleisch aus dem Supermarkt. Falls sie etwas Gemüse, wie Karotten haben, geben sie das auch dazu. Dann bekommt es einen besseren Geschmack. Aber sonst ist alles gleich.“
Ich musste zugeben, dass ich noch nie Tafelspitz gegessen hatte. Da konnte ich also nicht mitreden. Aber das, was mir Dege damit sagen wollte, verstand ich.
© Anna-Katharina Plach 2023-01-16