von Nico Wschiansky
Paris, séptembre 2019, „faux amis“. Eine Lehrerin sagte nach der mündlichen Matura zu mir: „Das muss ich dir noch sagen. Du erinnerst mich an Thales von Milet.“ Bitte was!? Thales von Milet? Der angeblich „erste“ Philosoph, der aufgrund seines Interesses an Sternen beim Gehen nach oben geblickt und dabei in den Brunnen gefallen sein soll? Damit vergleicht sie mich allen Ernstes? Na danke, sehr lieb! Bleibt mir das vor den Füßen Liegende verborgen? Finde ich mich im realen Leben nicht zurecht, da ich ein lebensfremder Träumer bin? Da war ich schon perplex, zumindest un peu.
Mit zunehmendem Ergrauen finde ich diesen Vergleich gar nicht mehr so abwägig. Dazu eine Anekdote.
Mehr als eingerostete Französischkenntnisse, angeblicher Hang zum Träumen und mangelndes Zurechtfinden im Alltag. Ja, das waren wohl optimale Voraussetzungen für meinen Paris-Trip. Angekommen in Paris, ging’s schon los. „Où est ton clavier (dt.: Tastatur)?“, sagte eine Frau zu einem Mann. Bitte ist die blöd? Als ob sie ihren Mann allen Ernstes fragt, wo sein Klavier sei? Am Flughafen? Sachen gibt’s en France…
Beim Frühstück am nächsten Morgen schimpfte ein Gast mit einer Angestellten, die mit dem Abwischen eines Tisches beschäftigt war: „Regardez! Une tache (dt.: Fleck)!“ Hä? Wo sieht der bitte eine Tasche? Zuerst glauben die Franzosen, dass man Klaviere im Handgepäck transportieren kann und jetzt sehen sie auf Tischen Taschen, obwohl da nichts steht? Pack ich nicht…
Irgendwie fühlte ich mich nicht gut. Ich hatte keinen Appetit und mein Magen spielte verrückt, weshalb ich eine Kellnerin fragte, wo denn die nächste Apotheke sei. „Voulez-vous une infusion (dt.: Kräutertee)?“ Also langsam scheinen die Franzosen wirklich am Rad zu drehen. Mir war ein bisschen schlecht und die Dame möchte mir ernsthaft eine Infusion anlegen? Was ist das bitte für ein Hotel?
Da ich meine Zeit in Paris aber auch „sinnvoll“ nutzen wollte, beschloss ich trotz Magenschmerzen die Stadt zu erkunden. Nach Besichtigung des Eiffelturms und des Arc de Triomphe bekam ich schließlich Hunger und setzte mich in ein uriges Café. Am Nebentisch war gerade eine Mutter dabei, mit ihrem Sohn die Hausaufgaben, es war wohl Mathe, da ein Taschenrechner auf dem Tisch lag, zu erledigen. Die Frau zu ihrem Sprössling: „As-tu un compas (dt.: Zirkel)?“ Wie bitte? Braucht man in Frankreich Kompasse für die Mathematik? Zum Hindurchnavigieren? In diesem Café ging es überhaupt recht stressig zu. So war ein Handwerker mit dem Reparieren einer Lampe beschäftigt und meinte zu seinem Kollegen: „L’ampoule (dt.: Glühbirne) est grillée!“ Welche Ampel wurde hier bitte gegrillt? Ich stand auf und ging.
Mein großer Dank gebührte dem Internet, das mich dann die wahre Bedeutung dieser Vokabel lehrte. Ich musste nun an die Aussage meiner Lehrerin denken. Ja, sie lag wohl richtig. Irgendwie bin ich ein lebensfremder Träumer, der sich im Leben manchmal nicht zurechtfindet. Un séjour inoubliable!
© Nico Wschiansky 2020-02-05