Titos Hirsch

Martin Blank

von Martin Blank

Story

Mein Vater wollte immer, dass ich auch JÀger werde. In dem Punkt habe ich ihn bitter enttÀuscht, das war nie mein Ding. Was ich aber an der JÀgerei liebe, sind diese unglaublichen Geschichten.

So wie diese hier!

Anfang der 70er war mein Vater oft nach Jugoslawien zur Jagd eingeladen, weil seine Firma damals als einer der ersten Bau-Unternehmen jugoslawische Gastarbeiter nach Bayern geholt hatte. Das Wirtschaftswunder lief noch. Ich war damals grad mal 8 und erinnere mich dunkel an gesellige Abende und herrliche Fußball-Nachmittage mit unseren jugoslawischen Freunden.

1972 war mein Vater dann wieder zur Jagd, diesmal in einem Staatsforst in der NĂ€he von Belgrad, die RevierfĂŒhrer bestens ausgebildet und die Hirsche kapital. Was mein Vater nicht wusste: Es war das Lieblings-Revier vom damaligen StaatsprĂ€sidenten Tito. Mein Vater also mit seinem Guide unterwegs auf der Pirsch, und jetzt erzĂ€hle ich das in seinen Worten:

„Es war so laut, da haben die Äste nur so gekracht, als wĂŒrde sich da ein Lastwagen durchs Dickicht rammen… Ich postier mich mit dem Guide auf einer kleinen Lichtung, leicht abschĂŒssig – und plötzlich kommt da dieser kapitale Hirsch raus!“ (Anmerkung: Hier breitet mein Vater immer seine Arme ganz weit aus, um die Breite vom Geweih anzudeuten.)

„Der Guide gestikuliert wild umeinander und will den Hirschn verscheuchen. Ich leg an, und da greift er mir in die Waffe… Ich leg noch mal an und… Blattschuss.“ Wenn es einen Ausdruck von Stolz in einem Gesicht geben kann, dann hat ihn mein Vater immer genau in diesem Moment.

To make a long story short: Dieser mĂ€chtige Hirsch war „reserviert“ fĂŒr StaatsprĂ€sident Tito, den unumschrĂ€nkten Herrscher von Jugoslawien. Und genau diesen Hirsch hatte mein Vater gerade erlegt. Die Behörden waren natĂŒrlich sauer! Erst durfte mein Vater ein paar Tage nicht ausreisen, dann hieß es, er darf die TrophĂ€e nicht mitnehmen, denn sie muss ins jugoslawische Jagdmuseum. Und und und.

Wie sich spĂ€ter herausstellt: Tito war zu Recht scharf auf diese TrophĂ€e, denn es holte 1972 die meisten internationalen Punkte. Ich glaube sogar, es war Weltrekord ’72.

Insgesamt 3x ist er nach Jugoslawien geflogen, aber am Ende hat seine Sturheit gewonnen. Um ganz sicher zu gehen, dass dem Heiligtum auf dem Weg nach Hause nix passiert, ist er extra mit dem Auto runter gefahren. Als er dann aber endlich damit heimkommt, beginnt das eigentliche Drama. Vergeblich suchen wir im ganzen Haus nach einem passenden Platz. Denn das Geweih ist so hoch (fast 2m), dass wenn die Spitzen oben schon an der Decke angestoßen sind, der Kopf vom Geweih etwa auf Kniehöhe war – in den Augen eines JĂ€gers schaut das natĂŒrlich lĂ€cherlich aus.

Mein Vater beschließt: „Wir bauen dran.“ Und so gibt es seit damals einen Trakt in unserem Haus – extra gebaut fĂŒr Titos Hirschgeweih und mit so viel Raumhöhe, dass das Ding so richtig schön zur Geltung kommen kann.

Dieses Zimmer heißt in meiner Familie „Jagdzimmer“… und ich liebe es!

© Martin Blank 2019-04-12

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