Tod, wo ist dein Stachel

Roman Scamoni

von Roman Scamoni

Story
Innsbruck 2024

Eine liebe Freundin hat sich heute aus diesem Leben verabschiedet. Sie hinterlässt einen Ehemann und zwei kleine Kinder. Und ja, es war wohl so zu erwarten. Seit der Diagnose „Krebs“ hatte sich dieser Weg immer deutlicher am Horizont abgezeichnet: Behandlungen, Operationen, Chemotherapie – der Kampf gegen eine Krankheit, der am Ende aussichtslos war. Oder ging der Kampf am Ende gar nicht verloren? Im Rückblick waren die Wochen und Monate in ‚Ritas‘ Leben durchdrungen von Hoffnung, Lebensfreude und der Gewissheit des Sieges. Der Tod, der letzte und größte Feind des Menschen, mag ihr irdisches Leben genommen haben, zugegeben. Aber ist es ein Sieg, wenn ‚Rita‘ am Ende des Kampfes auferstehen wird mit einem neuen, wunderbaren Leib, der unverwundbar, unkaputtbar und unsterblich sein wird? Wo ist die Macht eines Todes, der zwar kurzfristig einen Triumph feiern mag, am Ende aber selbst vernichtet wird von dem, der stärker ist als der Tod?

Für uns Menschen ist das schreckliche Antlitz des Todes furchteinflößend – aber Jesus Christus hat den Tod besiegt! Aber was bedeutet das für uns? Für ‚Rita‘?

Ein großer Wunsch von ‚Rita‘ war, gemeinsam mit mir (einem Rollstuhlfahrer) noch einmal auf dem Gipfel der Serles zu stehen und den Sonnenaufgang zu erleben. Diese Freude wird in diesem Leben weder ihr noch, aller Voraussicht nach, auch mir nicht mehr gegönnt sein. Aber ist es eine Niederlage, wenn wir die Gewissheit haben, dass Jesus Christus, der „durch den und zu dem hin alles erschaffen wurde“ (1), eines Tages auf diese Erde kommen wird und „alles neu machen wird“ (2)? Welchen Grund gibt es, anzunehmen, dass die Serles dann nicht ebenso Teil dieser erneuerten Erde sein wird? Und welchen Grund gibt es, anzunehmen, dass wir mit unseren neuen, unvergänglichen Körpern dann nicht eben diesen Gipfel erklimmen und den Sonnenaufgang bewundern können? Ich freue mich jetzt schon auf diesen Tag!

Wenn der Tod aber nun weder unsere Seele noch unseren zukünftigen Körper noch unsere Wünsche und Träume rauben kann – welcher Sieg bleibt ihm dann noch? „Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“, fragt der Apostel Paulus, einer der Autoren des Neuen Testaments, in seinem Brief an die Christengemeinde in Korinth (3). Die Gewissheit des Sieges über den Tod kann und soll uns nicht die Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen rauben. Trauer hat ihre Zeit, genauso wie die Freude und die Zuversicht über ein zukünftiges Wiedersehen am Gipfel der Serles, hoch über Tirol. Aber wir sind nicht dazu verdammt, in der Trauer zu verzweifeln. Das Leid hat keine Macht über uns. Die Hoffnung auf die Auferstehung ist viel mehr als ein Vertrösten auf ein Jenseits – sie ist ein Weg jenseits des Leides im Diesseits und durch alle berechtigte Trauer hindurch. Es ist eine lebendige Hoffnung auf einen guten Gott, der stärker ist als der Tod!

Liebe ‚Rita‘ – wir sehen uns. Und dann wird die Freude vollkommen sein!

Bibelstellen:
(1) Kolosser 1,16; (2) Offenbarung 21,5; (3) Korinther 15,55

© Roman Scamoni 2024-12-06

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Spiritualität
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Emotional, Hoffnungsvoll, Traurig
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