Trypophobie & Melissopho“BEE“

Hillevi Hofmann

von Hillevi Hofmann

Story

Zum Glück leide ich ja nicht als einzige in meiner Familie an teils absurden Ängsten. Auch meine sonst sehr normale Tochter leidet an einer Phobie, die den meisten wohl eher ungeläufig ist: die panische Angst vor Löchern. Mit einer gewissen Anordnung von Löchern kann ich ihr eine Heidenangst einjagen. Nicht, dass ich das gerne tue. Denn langsam nerven auch mich diese Löcher in Luftschokolade.

Sie ekelt sich sicher genauso davor, wie ich vor Spinnen, Butter und Marienerscheinungen zusammen. Woher diese Angst kommt, ist nicht ganz klar. Trypophobie leitet sich aus dem griechischen Wort „trypa“ (=Loch) und „phobos“ (=Angst) ab. Dahinter steckt eine abnormale Angst und Ekel vor einer Anhäufung unregelmäßig angeordneter Löcher, Risse, Beulen oder Dellen. Cellulite gehört bei uns mit Sicherheit auch dazu.

Angeblich ist es der physische Ausdruck einer tief sitzenden Abneigung gegen Parasiten und Krankheiten, die unsere Haut befallen und sie durchlöchern. Was bei meiner Tochter ja Gott sei Dank nie der Fall war. Es gibt also auch augenscheinlich „unbegründete“ Phobien und Ängste, die ihren Ursprung ganz woanders haben als in empirischer Erfahrung. Ausschläge oder Krankheiten wie Masern oder Windpocken könnten ein Auslöser sein, und ehrlich gesagt: Die hatten wir beide. Wähhh, Löcher!

Und dann haben wir meine Schwester. Sie leidet an einer ausgewachsenen Melissophobie/Bienenangst. Gut, Wespen hasst sie noch mehr. Dabei hat meine Mutter sie in Kindergartentagen niemals als Biene Maja verkleidet. Bei meinem Ex-Freund war das schon eher der Grund für seine Bienen-Aversion.

Was mir die Spinne oder Butter ist, das ist das Bienentier für meine Schwester. Sie reagiert ebenso panisch auf diese fliegenden Stecher wie ich auf diverse Achtfüßler. Kein Wunder also, dass genau sie heuer unter ihrem Balkontisch ein ausgewachsenes Wespennest hatte. Und alle hungrigen Willis sie anfliegen als wäre sie der blutrote Mittelpunkt einer Dartscheibe.

Meine Tante hingegen hat relativ alltagstaugliche Ängste, wie Angst vor Aufzügen, Tunnels und Corona. Gerade das macht sie aber auch so liebenswert. Menschen mit Ängsten haben in Urzeiten einfach länger überlebt. Ich bin dann wohl unsterblich! (Mir fällt im Moment keine Phobie meiner Eltern ein, bis auf ihre Phobie gegen mich!).

Ja, die (meisten) Frauen in meiner Familie tragen ihre Phobien mit einem Stolz wie andere ihre Nerzstola. Erich Kästner hat es so schön in Worte gefasst: „Wenn einer keine Ängste hat, so hat er keine Phantasie!“

© Hillevi Hofmann 2020-12-14

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