Ungeschriebene Ordnung

Luxbrae

von Luxbrae

Story
Köln

Bunte, grelle Lichter in allen erdenklichen Farben des Regenbogens leuchten von allen Seiten auf uns hinab.
Dazu kommt laute, ungestüme Musik, die nur von den Geräuschen der feiernden Scharen ansatzweise Konkurrenz bekommt.
Eigentlich genau eine der Umgebungen die ich so vehement Hasse.
Und trotzdem fühle ich mich hier wohl.
Hier, auf einer Steinmauer, vor einer der dutzend Bars, Lokale und anderen Einrichtungen die zusammen diesen schwulen Hotspot bildeten. Händchenhaltend mit einem süßen Typen, dem ich gerade meine Zunge in seinen Hals schob. Ich, ein anderer Kerl. Etwas, dass man hier nicht gerade selten sah.
Hier fühlte sich sowas normal an.
Hier traute ich mich sowas ohne viel Sorgen.
Ganz anders als irgendwo sonst.

Nicht, dass es ansonsten verboten ist oder so.
Aber das heißt nicht, dass es sich normal anfühlt. Gut anfühlt, obwohl es das eigentlich sollte. Dieses klamme Gefühl bis hin zur Angst, das man irgendwann einfach hat. Ganz zu schweigen von den potenziellen Konsequenzen die man bedenken muss.

In den Geschichten, die ich als nicht-erwachsener immer lass oder schaute, ging es -wenn es auch um Liebe ging- immer um einen Mann und Frau.
Selten um was anderes. Und wenn doch, war das meist am Rande und mit so viel stereotypischen oder negativen Eigenschaften überladen, dass es nichts gab, zu dem man aufschauen konnte. Nichts gab, mit dem ich mich identifizieren konnte. Nichts was mir das Gefühl gab „normal“ zu sein, sondern immer etwas anderes, fernes, fremdes.

Das echte Leben gab da leider auch keinen guten Gegenpol.
Überall gab es Mann und Frau. Und noch viel mehr Männer und Frauen mit Kindern, die in meine Klasse gingen.
Aber irgendeine sichtbare andere Beziehung die nicht Mann und Frau war, war selten.
Und wenn doch, war sie überwiegend fern und besonders.
Ich erinnere mich noch gut an die Gerüchte, die es in meiner Mittelschulklasse gab. Angeblich sollte unsere Klassenlehrerin mit einer anderen Schulkraft was am Laufen haben.
Es wurde darüber getratscht, diskutiert, Blicke zugeworfen, alles halbwegs hinter geschlossener Hand.
Das zu hören hat mich ziemlich gefreut… aber in mir auch das Gefühl des Unbehagens, des Anders verstärkt.

Würde man sich auch über mich so stark den Mund zerreißen, wenn meine Vorlieben die Runde machten?
Würde man mich wegen dieser einen Sache sprichwörtlich auf ein Podest stellen, darauf reduzieren, damit alle sich daran satt sehen konnten? Einige mit Freude, Ekel, Abneigung, Mitleid. Aber alles Sachen, die mich auf ihre eigene Weise abhoben. Befremdeten.

Ich bin froh, nie wirklich wegen meiner Sexualität direkte Gewalt erfahren zu haben.
Aber dennoch fühle ich mich nicht wohl offen ich zu sein. Als wäre ich nicht Teil der Ordnung.
Außer hier. Hier an diesem Schwulenhotspot, zwischen all den bunten, lauten Farben. Hier bin ich ein Teil von allem. Hier gehöre ich dazu.

© Luxbrae 2025-04-12

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Emotional
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