Unsere Räume schlossen sich an die Wohnstube des Ehepaars W. an. Meine Eltern bewohnten ein kleines Zimmer. Ich schlief in einer bunt verglasten Loggia, außer dem Sofa mit einem wuchtigen Tisch älteren Modells (geschwungene Beine und Standfuß) sowie Stühlen möbliert. Da wurden auch das Frühstück und ab und zu der Nachmittagskaffee eingenommen. Überm Sofa an der Wand waren Jagdtrophäen (Hirsch-/Rehbockgeweihe) und ein ausgestopfter Marder auf einem Brettchen. Die Nachttischlampe trug Verzierungen aus Geweihstücken. Gegenüber vom Tisch hing eine kleine Jagdhütte aus Holz mit Herzl an der gewissen Tür und an der Hauswand angelehntem Gewehr. Meine Sachen wurden im Elternzimmer verstaut. Viele Jahre hatten wir einige Kleiderbügel dabei, die in den Quartieren vorhandenen reichten häufig nicht. Man konnte bei der Veranda die Fenster seitlich wegklappen und saß dann wie auf einem Balkon in der wunderschönen Landschaft. Ältere Paare, die schon viele Jahre kamen und nicht mehr so gut zu Fuß waren, verbrachten so manchen Tag – die Natur betrachten und sich daran erfreuen. Auch das kann Urlaub sein. Man schaut auf den Anfang eines Mischwaldes und kleinere Felsen. Das ist im Herbst besonders schön, wenn sich die Blätter bunt färben. Unter uns waren Nachbargärten und die Kirnitzsch, ein relativ klarer Gebirgsbach, im Nachbarland entspringend, sozusagen ein Wassergrundstück.
Die Wohnung hatte einen Türgong, statt dem Klingelton erklang ein Blasebalg artiger Kuckucksruf. Im Vorgarten wuchsen künstlich aussehende Erdbeeren. Frau W. hatte zahlreiche Topfpflanzen, darunter Kakteen und Sukkulenten. Als sie hörte, dass mein Vater noch mehr davon hat und sich gut auskennt, ergaben sich oft Gespräche. Frau W. erhielt Pflegetipps. Sie hatte auch ein Buch über Naturheilkunde. Vati wollte, dass ich mal Gärtnerin werde. Im Wald fragte er mich häufig, was das für Bäume und Pflanzen wären. Er wusste es, da er auf dem Land groß geworden ist.
Das Gemeinschaftsbad für Vermieter und Urlauber befand sich im Untergeschoss und war gleichzeitig Durchgang zu einer Wohnung. Oft gab es nur kaltes Wasser. Vati störte das nicht. Er wusch sich früher immer kalt, in seiner Kindheit auf dem Dorf sogar im Hof unter der Pumpe. Andere hatten das eingelassene Wasser mit einem mitgebrachten Tauchsieder erhitzt. Der Plaste-Einsatz, in den der Stöpsel kommt, um das vorzeitige Ablaufen des Wassers zu verhindern, wurde durch Unachtsamkeit angesengt. Man musste nun ständig nachfüllen. Wasch- und Toilettenbecken waren schwer zu beschaffen. Wir wurden ermahnt, vorsichtig zu sein, damit nichts kaputtgeht. Dort in der Gegend gab es sehr weiches Wasser. Dachte man am ersten Tag nicht daran, hatte man sich zu sehr eingeseift und Mühe, dieses Zuviel an Schaum abzubekommen. Das übrige Jahr hatten wir hartes Wasser. Vor dem Bad befanden sich die nur von Familie W. genutzte Duschkabine mit Plastikvorhang, die Waschmaschine und Schuhputzzeug. Während ich mich wusch, putzte Vati auf dem Hof Schuhe.
© Annemarie Baumgarten 2023-11-22