von Brigitte Böck
1979, ich war nach einer gescheiterten Beziehung mit den Kindern wieder allein und gebe zu, ich hatte viel Angst vor diesem Weihnachtsfest. Überarbeitet und traurig wollten Weihnachtsgefühle nicht aufkommen. Zwar hatten wir einen Weihnachtsbaum, Plätzchen gebacken, kleine Geschenke waren bereit, aber ich spürte, mit zwei pubertierenden Mädchen veränderte sich auch die heimelige Atmosphäre. Sie waren viel mit Freunden unterwegs und ich war nur noch in ganz besonders prekären Fällen, wie z.B. beiLiebeskummer, die erste Ansprechperson. Die Mädchen lösten sich von mir ab und ich musste es auch tun, wie jede Mutter. Aber ich war noch nicht dazu bereit und dieses Weihnachten schon gar nicht.Am Heiligen Abend beim Frühstück eröffnete ich ihnen, dass ich am Nachmittag ganz traditionell mit ihnen in die Christvesper gehen werde.Meine Beiden guckten sich an mit einem Blick, der Bände sprach und sagten:“ NEIN, du kannst ja gehen, aber ohne uns. Und wenn du wiederkommst feiern wir Weihnachten.“ Ich war fassungslos und bestand auf einem gemeinsamen Gottesdienst. Ich muss es wohl in ungewohnter Strenge gesagt haben und so ging ich um 15:30 Uhr mit zwei missgelaunten und schweigsamen Teenagern los.Die Kirche war brechend voll, ich sang mit Inbrunst die Weihnachtslieder, während meine Töchter miteinander tuschelten, ich fühlte mich sehr getrennt von ihnen und ahnte bereits, dass ich etwas falsch gemacht hatte.Am Ende des Gottesdienstes breitete sich um uns herum ein unerträglicher Gestank aus, die Menschen wurden unruhig, mir wurde übel und meine Töchter grinsten. Fluchtartig verließen wir die Kirche. Wir sprachen kein Wort, irgendwann blieb ich abrupt stehen und fragte: „Was habt ihr gemacht?“ Unsicheres Schweigen, die Beiden schauten sich an, die Jüngere nickte, dann sagte meine Große: „Ich habe unter der Bank eine Stinkbombe zertreten. Du hast uns moralisch gezwungen und du hast immer gesagt, das macht man nicht. Und so haben wir uns gewehrt!“Schweigend gingen wir nach Hause. In mir lief ein mächtiger Kampf, ich war ungeheuer wütend, aber auch stolz auf die Stärke meiner Mädchen, sich auch von ihrer Mutter nicht unter Druck setzen zu lassen. Ich hatte einen großen Fehler gemacht aus meiner Traurigkeit heraus und hatte noch viel zu lernen. Nun musste ich mein Gleichgewicht wieder finden.Zu Hause kochte meine Tochter Kaffee, die Kleinere holte die Geschenke, die sie für mich so liebevoll selbst gemacht hatten, dann standen wir unter dem Weihnachtsbaum. Sie lächelten mich an, ich liebte sie so sehr und musste auch lächeln. Dann nahmen sie mich in den Arm, hielten mich ganz fest und wir weinten. Ich spürte ihre Liebe und auch, dass es sie Kraft gekostet hatte, für sich selbst einzutreten und auch die evt. Konsequenzen zu tragen.Aber dann war es ein wunderschöner Abend, voller Leichtigkeit und Liebe. Zwar anders, als ich es für mich geplant hatte, aber um eine wichtige Erfahrung reicher und auf eine besondere Art beschenkt.
© Brigitte Böck 2020-12-23