von Adelheid Bürkle
Ich steige ein in den Zug. Langsam rattert er los, wird immer schneller. Er trägt mich ins Jahr 1923. Wir schreiben August. Die „Bauhaus“-Ausstellung in Weimar hat eröffnet. Genau dorthin will ich reisen. Der Zug rattert gleichmäßig über die Gleise. Unbequem ist er, durchgesessene Sitze, die Leuchten sind weiß und steril. Ich aber sehe mir die Landschaft an. Dörfer, Städte, Felder auf dem Weg nach Würzburg.
Ich steige um in den Zug nach Erfurt. Die Sitze sind hier besser, die Leuchten weiß und steril. Ich habe ein Buch dabei, aber es ist nicht so interessant, wie ich dachte. Die Landschaft rast an mir vorbei, der Zug rattert und rattert. Ich habe mir das Programm für die „Bauhaus“-Ausstellung schicken lassen und blättere es durch. „Bauhaus“ ist Kunst und Design mit einem praktischen Nutzen. Also zum Beispiel künstlerisch gestaltete Stühle, auf denen man sitzen kann. Tische, auf die man eine Tasse Kaffee stellen kann. Oder auch das Einfamilien-Wohnhaus am Horn, oberhalb von Goethes Gartenhaus. Das will ich sehen, im Prospekt wirkt es ansprechend.
Der August ist warm und sonnig, auch 1923. Eine Klimaanlage im Zug gibt es nicht. Ich schwitze. Das mitgenommene Mineralwasser schmeckt schal. Vielleicht rollte jemand mit einem Wagen voller Getränke durch die Abteile, ich würde das begrüßen.
In Erfurt steige ich schließlich in den Bummelzug nach Weimar. Er ist noch lauter als der Zug, in dem ich seit Würzburg saß. Aber zum Glück muss ich nicht lange fahren, nach einer halben Stunde erreiche ich Weimar. Heraus aus dem Zug und hinein in ein schwarzes Taxi. Die Fahrt kostet mich ein Vermögen.
Im Hotel mache ich mich frisch, bevor ich mich bei der Dame am Empfang erkundige, wie ich zur „Bauhaus“-Ausstellung komme. Die Ausstellung findet an drei verschiedenen Orten in Weimar statt: im vorher erwähnten Einfamilien-Wohnhaus am Horn, in den Gebäuden des staatlichen Bauhauses und im thüringischen Landesmuseum am Museumsplatz.
Ich beschließe, erst mal ins Landesmuseum zu fahren. Eine Straßenbahn fährt dorthin. Ich löse ein Ticket beim Schaffner, denn Fahrkartenautomaten gibt es 1923 noch nicht. Im Landesmuseum bestaune ich Malereien und Plastiken der Künstler, die im „Bauhaus“ ausgebildet werden und wurden. Anschließend plane ich, mir die Architekturausstellung in den Gebäuden des staatlichen Bauhauses anzusehen. Das Haus am Horn werde ich auch noch ansehen. Dazwischen kann ich mir jederzeit Vorträge anhören, die ebenfalls geboten sind. Ebenso musikalische Darbietungen. Auf das „Triadische Ballett“ von Oskar Schlemmer freue ich mich schon lange, das wird garantiert ein Kunstgenuss!
Ich weiß noch nicht, wann ich mit dem Zug wieder in unsere Zeit zurückfahren werde. Vielleicht nach einer Woche. Das Hotel, in dem ich ein Zimmer genommen habe, hat mir signalisiert, dass ich dort bleiben kann, solange ich bleiben will.
© Adelheid Bürkle 2025-04-04