von MaschataDiop
„2010 bin ich mit meiner Familie nach Afghanistan geflogen. Meine Eltern sind dort geboren und aufgewachsen. Ich war 11 und saß das 1.Mal in einem Flugzeug.
In Kabul stickige Luft, Abwassergestank. Die Menschen sahen uns komisch an. Unser Kleidungsstil war anders. Sie trugen ärmliche, abgetragene Kleider, Panjobi genannt, ich kein Kopftuch. Doch Mädchen ab 9 müssen aufgrund der Macht der Taliban Kopftuch tragen, Frauen Burka, also vollverschleiert gehen.
Unser Haus war fast das größte in dem Viertel, hatte 3 Stockwerke, einen Keller und einen großen Garten mit einer Schaukel. Es gab auch einen Hund, 2 Hühner und 3 Straßenhunde. Die gingen nicht weg, weil mein Onkel sie immer fütterte. Betten gab es keine im Haus, jeder schlief auf einer Matratze. Sie wurden in der Früh, wenn alle aufgestanden waren, weggeräumt. Ich spielte oft im Garten. Und vom Dach aus betrachtete ich die anderen Häuser. Und die Sonnenuntergänge.
Ein Schaf wurde gebracht, ein Willkommensgeschenk. Wer das 1.Mal das Haus betritt, wird gefeiert. Wir Kinder spielten gern mit dem Schaf, fütterten es. Dann kamen Gäste, das ganze Haus war voll. Das Schaf wurde geschlachtet. Meine Schwester konnte das Fleisch nicht essen.
Gegessen wurde auf dem Boden. Typische afghanische Gerichte. Mit der Hand. Manchmal haben sich 3 Personen einen Teller geteilt. Meine Geschwister und ich aĂźen wenig. Wir waren oft krank, hatten Brechdurchfall. Das lag an der schlechten Luft. Oder weil wir das Essen nicht vertrugen.
Mit unserem Transporter machten wir dann eine Tour durchs Land: Meine Familie, Oma, Onkel, Tanten, Kinder. Zu 21 saßen wir im Fahrzeug. Wir fuhren nach Bamiyan. Dort gab es früher Buddha-Statuen, 2001 wurden sie von den Taliban gesprengt. Pol-e Chomri, Kunduz, Band-e-Amir. Das war der schönste Ort. Das erste Mal klares Wasser. Klar und tief! Dann Masar-e Scharif, Sar-i Pul und wieder zurück nach Kabul. Viele Straßen waren kaputt, wir fuhren in den Bergen. Oft gab es keine anderen Wege. Sie waren gefährlich, steil, staubig. Deshalb trugen wir Masken. Es war heiß. Wir machten Halt an Flüssen, wuschen uns, unsere Kleider, das Auto. Zur Abkühlung setzten wir die Kopftücher feucht auf. Wir sahen Eulen und Adler, hörten Wölfe heulen, wurden in Dörfern vom Krähen der Hähne geweckt.
ZurĂĽck in Kabul, beobachteten wir Kinder beim Drachenkampf. Die SchnĂĽre waren scharf und fest, mit ihnen zertrennten sie die SchnĂĽre der anderen Drachen am Himmel. Die Kinder sprangen von Hausdach zu Hausdach. Wer einen abgestĂĽrzten Drachen fing, durfte ihn behalten.
Einmal fiel in der ganzen Stadt der Strom aus. Es war heiĂź, wir saĂźen im Garten und betrachteten den Mond. Es war Vollmond und er beleuchtete die ganze Stadt. Es war richtig schön. Wie eine zweite Sonne. Das vergesse ich nie!“
Aufgezeichnet nach einem Bericht meiner Studienkollegin Nasrin Hosainy.
Ein herzliches Dankeschön an Nasrin und an Sohaib Ghyasi für sein Photo (auf Unsplash)
© MaschataDiop 2021-03-21