von Eva Flehschurz
Meine Lieblings-Weihnachtsbäckerei. Natürlich backe ich auch andere Kekse. Aber die Vanillekipferl sind immer die ersten, die auf meinem Backblech landen. Und ganz sicher werden sie die letzten sein, bevor ich nicht mehr in der Lage dazu bin. Wenn ich einmal alt und zittrig bin, werde ich mit letzter Kraft, abgestützt am Rollator, meine geliebten Vanillekipferl wuzeln. Wenn ich keine Vanillekipferl mehr backe, habe ich mehr oder weniger aufgegeben …
Ich bin keine begnadete Köchin. Ich bin auch keine begnadete Bäckerin. Bei letzterem habe ich mein 08/15-Programm, sprich meinen Ölkuchen, der immer gelingt und somit für alles herhalten muss. Für den sommerlichen Marillenfleck ebenso wie für die Sachertorte oder einfach nur für den Gugelhupf. Damit kam ich bis dato ganz gut durchs Leben.
Meine Mutter bäckt, als ob sie es gelernt hätte. Ebenso meine Vis a Vis-Nachbarin. Bei beiden Damen stauben wir immer wieder Süßes ab. Auch Kekse natürlich. Aber trotz allem kann ich voll Stolz behaupten: meine Vanillekipferl schmecken mir am besten. Und das sage ich sicher nicht aus einem narzisstischen Anfall heraus. Im Gegenteil, Selbstkritik ist mein zweiter Vorname. Vielleicht liegt es daran, dass ich Minidinger fabriziere und sich das auf den Geschmack auswirkt …
Bei Vanillekipferl denke ich auch immer wieder an ein Theaterstück, das ich vor vielen Jahren in den Wiener Kammerspielen sah. Ein Einakter von Lotte Ingrisch, mit dem Titel Vanillekipferln. Der alte Oberbaurat, alias Hans Holt lernt am Friedhof Fräulein Emma – wer diese Rolle spielte, weiß ich nicht mehr – kennen. Die beiden verstehen sich und treffen sich auf einen Kaffee, bei dem Fräulein Emma Vanillekipferl beisteuert. Zu spät erfährt der Herr Oberbaurat, dass Emma ihren Vater und seine Geliebte ins Jenseits befördert hat – mit Vanillekipferln. Das Theaterstück verwendet die umgangssprachliche Version im Titel, also mit n am Schluss.
Beim Schreiben dieser Zeilen fällt mir auf, dass ich gar nicht viel weiß über Vanillekipferl(n). Meine Internet-Recherche bei Freund Wiki ergab, dass sie ein traditionelles, deutsch-österreichisch-böhmisches Weihnachtsgebäck sind. Darüber hinaus zählen Vanillekipferl auch zum Teegebäck. Die englische Übersetzung laut Freund Leo finde ich lustig: vanilla-flavored crescent cookie.
Neugierig geworden, wollte ich herausfinden, wer eigentlich die Vanillekipferl erfunden hat. Ist mir aber nicht geglückt. Weiß scheinbar niemand genau. Was ich aber herausfand ist, dass 1874 erstmals den deutschen Chemikern Wilhelm Haarmann und Ferdinand Tiemann die Herstellung von Vanillin gelang. Bis dahin mussten die damals sehr teuren, vor allem aus Afrika kommenden Vanilleschoten verwendet werden, weshalb diese Bäckerei vermutlich nur der oberen Schicht vorbehalten war. Mit der neuen Erfindung jedoch konnten die Kipferl ihren Siegeszug in ganz Europa antreten.
Meine Herren – ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet.
© Eva Flehschurz 2020-12-15