von E_Wa
Sybille Berg sagt: „Die Angst vor der Zukunft, ist ein Hobby der Alten, die ohnehin keine Zukunft mehr haben!“
Kann man sich auf den Tod vorbereiten? Wieviel kann man von diesem unbegreiflichen Thema erfassen oder begreifen? Erschrickt man weniger, wenn man die Prozesse und Abläufe theoretisch kennt? Ist man weniger betroffen, wenn man sich mit dem Tod beschäftigt und sich vergegenwärtigt, dass es jeden/jede jederzeit treffen kann? Wird die Liebe zu einem Menschen durch den Verlust messbar und erkennbar?
Im letzten Jahr sind Freunde von mir an Krebs gestorben. Unerwartet, relativ jung, nach einem gesunden und sportlichen Leben. Wenn ich mich körperlich nicht wohl fühle, denke ich immer gleich an eine schreckliche Krankheit und versuche mir vorzustellen, wie es sein wird, wenn ich in den Sterbeprozess eintrete. Frage mich, ob ich Schmerzen haben werde und ob mir das Leben fehlen wird.
Ich beobachte, dass meine Eltern täglich gebrechlicher und müder werden. Sie sind zwischenzeitlich verwirrt, haben ständig Schmerzen. Die Tage an denen es ihnen gut geht werden immer seltener. Die Koordination funktioniert nicht mehr, sie stolpern häufig, sind unbeholfen, ganz einfache Abläufe sind nicht mehr logisch umsetzbar. Vor meinem täglichen Besuch habe ich stets Sorge, dass einer von den Beiden Tod ist. Meine Mutter schläft oft in ihrem Raucherzimmer am Tisch ein. Ihr Kopf liegt dann auf der Tischplatte, die Arme baumeln neben dem Körper. Daneben ist der volle Aschenbecher und viele geleerte Dosen Red Bull . Trotz ihres Alters, führt sie den Lebensstils eines Teenagers und wenn ich sie so finde, denke ich zuerst immer, jetzt ist sie tot. Mein Vater schläft unterdessen im Wohnzimmer oft so tief und fest, dass er kaum zu wecken ist. Ich rufe ihn, ich berühre ihn an der Schulter, greife nach seiner Hand und es braucht ewig bis er aus diesem vom Leben erschöpften Schlaf wieder auftaucht.
Vor Kurzem hat ein Freund meines Sohnes Selbstmord begangen. Mein Sohn hatte Angst vor der Trauerfeier. Angst vor der großen Betroffenheit der vielen jungen Menschen die zur Verabschiedung kommen würden. Angst vor der im Raum stehenden Frage, warum diesen Selbstmord niemand verhindern hatte können? Er trödelte ewig herum, wollte das Unangenehme hinauszögern und musste sich um pünktlich beim Begräbnis zu erscheinen, sich das Auto meines Vaters ausleihen. Mein Vater schlief seinen Nachmittagsschlaf, mein Sohn wollte ihn nach dem Auto fragen, aber es gelang ihm nicht ihn zu wecken. Er war soweit weg, so als ob er schon einwenig ins Reich des Todes eingetreten war.
Das Sterben, der Tod, die Vergänglichkeit und die große Ahnungslosigkeit um diese Endgültigkeit kreisen seit langem in meinem Kopf und da kommt mir der Satz aus dem Buch von Ferdinand von Schirach in den Sinn: „Im Leben ist jede Vorbereitung auf den Tod sinnlos!“ Das finde ich beunruhigend! Ich hätte gern mehr Klarheit und eine konkretere Vorstellung vom Tod und vom Sterben.
© E_Wa 2019-11-13