von Annika Herda
Schon einmal darüber nachgedacht, woran man erkennt, dass Kummer ungesunde Ausmaße annimmt? Nein? Schön, dass du fragst! Wenn man als erwachsene, unabhängige Frau, die mit beiden Beinen fest im Leben steht, Rotz und Wasser zu dem Lied “Verlassen im Wald” von “Die Eiskönigin 2” heult, ist es ein relativ eindeutiges Indiz, dass gerade etwas nicht so läuft, wie es sein sollte. Wer auch immer sich das Lied jetzt anhört – es tut mir leid, dass du nun einen Ohrwurm hast.
Andererseits tut es mir nicht leid. Geteiltes Leid ist halbes Leid, wie man so schön sagt. Dir, liebe/r potenzielle/r Leser/in, wird gerade die zweifelhafte Ehre zuteil, meinen geistigen Dünnschiss zu lesen. Möglicherweise hörst du just in diesem Moment auf, diese Zeilen zu lesen. Das wäre okay, ich würde es ja nicht merken. Ich finde aber Trost in dem Gedanken, dass dein Tag durch den grauenvollen Ohrwurm oder mein Selbstmitleid vielleicht auch nur ein klein wenig so besch…eiden wird wie meiner.
Eigentlich halte ich mich nicht für einen Misanthropen, aber wer nur einen kurzen Moment innehält und aufrichtig ehrlich zu sich selbst ist, wird mir zustimmen, dass das Glück anderer in Zeiten, in denen es einem selbst nicht gut geht, doch so ziemlich den letzten Nerv raubt. Sei dir aber sicher liebe/r Leser/in, es hat nichts mit dir persönlich zu tun. Wenn für mich irgendwann (hoffentlich) wieder die Sonne scheint, gönne ich auch dir wieder nur das gelbe vom Ei – versprochen.
Bis es soweit ist, lade ich meine Gedanken weiterhin ungefiltert in schriftlicher Form ab. Und warum? Weil wir in einer Happiness-Gesellschaft leben, in der im Face-to-Face-Kontakt kaum Platz für schlechte Zeiten oder Schmerz ist.
Außerdem scheint mein Hirn, getränkt voll Traurigkeit, weitaus kreativer in Wortfindungen und Satzbau zu sein und Stories schreiben sich quasi von selbst. Der Traum vom Autoren-Dasein ist daher offensichtlich an eine unüberwindbare Depression und/oder Alkoholsucht geknüpft und deswegen wohl doch keine Alternative für mich – schade.
Wenn man also nichts mehr von mir hört, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ich gerade eine richtig gute Zeit habe. Bis dahin, darfst du liebe/r Leser/in, an meinem Unglück Anteil nehmen oder dich daran aufgeilen – je nachdem, wonach dir gerade der Sinn steht. Ich verurteile niemanden, wird mir für meine oben geschilderten Äußerungen wohl ohnehin ein Platz in der Hölle reserviert werden.
Am Ende des Tages bin ich aber halt doch nur das Mädchen, dem der Rücken gestreichelt werden will, während es darüber sinniert, wie dämlich es ist. In der Hoffnung ein empörtes “gehhhh, gar nicht” zu ernten.
“… Und nun bin ich ganz allein. Steh‘ verlassen im Wald..”
© Annika Herda 2022-03-08