Vom Hudeln kommen die schirchen Kinder

Nina Burian

von Nina Burian

Story

Ich komme heim und halte kurz inne. Normalerweise hetze ich zur TĂŒr rein, ziehe die Schuhe aus und werfe mich so schnell wie es geht in mein Suhlgewand. Doch diesmal bin ich gefesselt. Jede Wohnung hat nĂ€mlich diesen einen bestimmten Geruch, der in jedem Zuhause anders und einzigartig ist. Er hĂ€ngt an den WĂ€nden, nistet sich in den Möbeln ein und weht einem beim Betreten der Wohnung um die Nase. Eine ganz spezielle olfaktorische Mischung, die nur zu diesem Daheim gehört. Seit knapp zwei Jahren wohnen wir nun hier und jetzt ist dieser Geruch auch endlich eingezogen.

Ich atme ein und rieche….die Holznote des alten, tibetischen Couchtischs, Umarmungen und KĂŒsse auf die Nasenspitze, Spaghetti Bolognese, die von dir stundenlang eingekocht und taktvoll umgerĂŒhrt wird, Streit, weil wir beide mĂŒde und gestresst sind, ich lesen, du aber fernschauen willst, feuchte, schwere Topfpflanzenerde, Filmabende mit auf der Couch suhlen und Sushi vom Haru essen, den KrĂ€utertee von meiner Mama, Stirnrunzeln ĂŒber meinen BĂŒcherstapel, der sich im Wohnzimmer tĂŒrmt, dein Parfum, von dem du immer nur einen kleinen Spritzer verwendest, angegatschtes Obst, um das sich die Muckerln drĂ€ngen, weil du nix weghauen kannst, ich Kiwis aber nicht mag, die 27 alten Reclam-Hefte aus Papas Schulzeit, durchtrĂ€nkte Rotweinabende, Mandelöl fĂŒr meinen Schwangerschaftsbauch, kleine Truhen, die ich sammle, Mario Cart spielen und immer gegen dich verlieren (außer das eine Mal, als ich dich mit Fun Facts ĂŒber Giraffen abgelenkt hab), schwarzen, starken Kaffee, den ich in der Bialetti koche, die du mir zum Geburtstag geschenkt hast, dein Zigarrenrauch, der sich imaginĂ€r unter dem TĂŒrspalt durchkringelt, kitzeln und einander durch die Wohnung jagen, bis einer aufgibt, bevor er sich in die Hose macht, salzige TrĂ€nen, weil ich bei Hochzeiten im Fernsehen immer heulen muss, aus dem Fenster schauen und das Eichkatzerl auf dem Baum beobachten und ein bisschen unser Waschmittel. Ich rieche Liebe.

…ich atme wieder aus. Langsam gehe ich in die KĂŒche und setze Wasser auf. Ich warte bis es kocht, steh ganz still und höre die Vögel draußen singen. Auf der Couch mach ichs mir bequem und schaue aus dem Fenster. Ein Sonnenstrahl kriecht durch das Zimmer. In ihm tanzen kleine Staubflocken. Was zĂ€hlt, ist nur das Jetzt.

Ich liebe diese Augenblicke, die zwischen ins Narrenkastl schauen und etwas genau beobachten liegen. 10 Minuten oder lĂ€nger sitz ich so da, ohne an etwas Bestimmtes zu denken, ohne aufs Handy zu schauen, ohne Musik zu hören. Einfach nur aus dem Fenster schauen. Der Wind bewegt die Äste der BĂ€ume leicht hin und her.

Ich halte den Augenblick fest, ohne etwas zu tun, damit ich ihn durch mein Denken und Handeln nicht verpasse.

Ich höre, wie sich im Schloss der SchlĂŒssel umdreht. DU kommst nach Hause.

Mir geht ein Satz durch den Sinn: „Vom Hudeln kommen die schirchen Kinder.“ – Ja, dann lassen wir uns lieber Zeit, oder?

© Nina Burian 2021-02-14

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