Vom Winde verweht…

Klaus P. Achleitner

von Klaus P. Achleitner

Story

Na das kann ja heiter werden, denke ich mir, als ich auf dem Bootssteg nach der Heiratsurkunde hechte. Wie konnte ich mich nur darauf einlassen? Ich erwische das Stück Papier gerade noch, bevor es ins Wasser segelt. Das Brautpaar vor mir in klassisch-elegantem Schwarzweiss verfolgt teils erstaunt, teils amüsiert die akrobatische Einlage. Ich lege das flügge gewordene Dokument wieder auf den Tisch und beschwere es mit dem Aschenbecher, den mir ein Hochzeitsgast reicht.

Das Brautpaar, sie aus Bayern, er Italiener, wünscht sich was Besonderes. Heiraten am Irrsee, genau zwischen ihren Heimatorten. Nicht nur die Feier, auch die standesamtliche Trauung, am Badeplatz des Gasthauses, wo man logiert. Ich äußere Bedenken, ob der würdige Rahmen, den das Gesetz vorschreibt, eingehalten werden kann.

Man kann im MondseeLand sehr schön heiraten. Im holzgetäfelten, kassettengedeckten Fürstenzimmer des Schlosses oder auf dem Schiff. Weitere Plätze – wozu? Wenn samstags Hochbetrieb herrscht, kann der Standesbeamte ohnehin nicht kreuz & quer durchs 200 km² große MondseeLand zwecks Amtsausübung hirschen.

Dann interveniert die Wirtin. „Mei, des warat liab, wennst des mochn kunnst!“. Also stehe ich drei Wochen später auf diesem Steg und kämpfe mit Windböen, die jedem Segler die Schweissperlen ins wettergegerbte Gesicht treiben würden. Immerhin, es scheint die Sonne.

Kurz zuvor hatte die Braut jovial angeregt, doch fürs Jawort ins Boot zu kraxeln und ein paar Meter hinauszurudern. So romantisch. Ich sehe schon die Titelseite „Brautpaar mitsamt Standesbeamten abgesoffen!“ vor meinem geistigen Auge. Aber es ist der Bräutigam, der einwendet, man sollte Mensch und Kleid vielleicht nicht diesem Risiko aussetzen. Eins von beiden hat sie überzeugt, von ihrem Vorhaben abzulassen. Ich stelle die Frage aller Fragen, sie sagen JA, ich überreiche die unterschriebenen Heiratsurkunden (mit Eselsohr vom „wind of change“). Kuss. Bund fürs Leben besiegelt, Mann und Frau.

In der kleinen Seehütte nebenan ist ein Buffet für 100 Gäste aufgebaut, so riesig, dass keiner mehr reinpasst. Dabei ist ohnehin nur die Hälfte der Gäste da. Der Rest scheint im Bermudadreieck zwischen Chiemsee und Gardasee verschollen. Ein paar Stehtische müssen reichen. Nach einer gewissen Zeit, die die Höflichkeit gebietet, verabschiede ich mich, wünsche dem Paar nochmals alles Gute und verdufte.

Einige Tage später erzählt mir der redselige und stets gut informierte Oberkellner Günther, dass es bei der Abrechnung ordentlich gekracht hat. Da ein Teil der Gäste nicht erschienen war, blieb viel von den Leckereien übrig. Das Hochzeitspaar war der Meinung, nur das bezahlen zu müssen, was konsumiert wurde. Das stand in diametralem Gegensatz zu den pekuniären Ansichten der Wirtin.

Man hat sich irgendwie geeinigt. Tatsache ist, die Seehütte wurde niemals wieder für eine standesamtliche Trauung angefragt. Jedwede Gedanken daran hat der Wind davon getragen…

© Klaus P. Achleitner 2020-10-10

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