VON BIENCHEN UND BĂśBCHEN

Marina B. Jung

von Marina B. Jung

Story

Lockdown am Land. Höchste Zeit, um etwas frische Luft zu schnappen. Höchste Zeit, um eine Runde spazieren zu gehen. Es bleibt ja sonst nicht viel, was in einem Lockdown am Land Freude bereitet. Und das Spazieren machte ich am liebsten mit Alex – einem schwulen, bekennenden Katholiken aus jener Gemeinde, in der neuerdings auch ich wohnte.

“Ich schreibe ein Buch“, sagte ich kurzerhand zu ihm. Alex und ich kannten uns zu diesem Zeitpunkt kaum, aber ich spĂĽrte gleich zu Beginn, dass da etwas Besonderes zwischen uns in der Luft lag. Deshalb fiel es mir auch ĂĽberhaupt nicht schwer, offen und ehrlich mit ihm zu sprechen. Von Anfang an.

“Cool! Worüber denn?”

“Es wird ein Roman übers Onlinedating. Von einem One-Night-Stand mit einem Geheimagenten bis hin zu verdammten, nicht geschlüpften Schmetterlingen ist das wirklich alles an Emotionen dabei.”

“Ui, da hätte ich auch einiges zu erzählen…”

Alex betrieb das Onlinedating ziemlich intensiv, bevor dieser ganze Corona-Schmarrn auftauchte. Sein Outing liegt zwar noch gar nicht allzu lange zurück, aber trotzdem waren da schon einige Erlebnisse dabei, von denen er mir gleich aufgeregt berichteten wollte. Ein Date etwa schwieg stundenlang und litt dann ganz offensichtlich an plötzlichem Sprechdurchfall, weil er nicht mehr zu stoppen war. Ein anderes Mal wanderte er auf seinem persönlichen “Walk of Shame”, weil er gleich nach dem ersten Sex aus der Wohnung geworfen wurde. Und er erzählte mir auch ganz offen von Männern, die Toleranz fordern, wenn es um ihre sexuelle Orientierung geht, die ihn aber wegen seines Glaubens verurteilen.

Alex wollte ganz offensichtlich seine Geschichte erzählen und der Welt zeigen, dass sie nicht nur Schwarz und Weiß, sondern alle Regenbogenfarben dazwischen ist. Und ich? Ich wollte mit meiner Schreiberei einfach nur unterhalten und anderen Menschen Freude in dieser tristen Zeit schenken.

“Möchtest du mitmachen bei meinem Buch?”, fragte ich ihn, als wir uns gerade hinsetzten. Es war forsch, ich weiĂź, aber ich war ĂĽberzeugt davon, dass das der Beginn von etwas ganz GroĂźartigem ist. “Eine Dating-Hete und ein Dating-Homo sitzen auf einer Parkbank“, sprudelte es schmunzelnd aus mir heraus. Was wie der Anfang eines schlechten Witzes klingt, war aber in Wahrheit der Beginn einer auĂźergewöhnlichen Freundschaft zwischen Alex und mir.

Und nach nur acht Monaten hielten wir unser gemeinsames Buch “Von Bienchen und Bübchen” in Händen, das unser beider Leben veränderte.

© Marina B. Jung 2021-11-26

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