Darf’s ein „bissi“ mehr sein?

Mary Modl

von Mary Modl

Story

„Vadaummt und zuagnaht 
 des geht si ums Oaschleckn net aus!“

Mein Vater war als 27-iger Jahrgang eher noch vom alten Schlag. Ausrufe und -sprĂŒche wie dieser waren ihm mehr als gelĂ€ufig 
 und mir daher auch. Manchmal ging sich etwas auch „ums Vareckn“ grad nicht aus. Obwohl ich aufgrund dieser „exakten“ Beschreibungen dessen, was an Fehlendem nicht vorhanden war, immer genau wusste, was er meinte, kam ich niemals dahinter, wieviel Vati eigentlich wirklich damit zum Ausdruck bringen wollte.

Das Österreichische hĂ€lt immer wieder herrliche verbal-dialektische GustostĂŒckerl bereit; besonders im Bereich der „unverbindlichen“ Maßeinheiten. Interessant war fĂŒr mich auch immer die Vorstellung des „Mordstrumms“. „Des woar heut Nacht wieder a mordstrumm Gewitter.“, war auch eine ganz typische Bemerkung meines Vaters. Idealerweise konnte ich mir das Mordstrum vom Monstrum ableiten. Und als damals meine ehemalige Handarbeitslehrerin einen handwerklichen Fehltritt meinerseits mit „Du bist doch ein blödes Trumm!“ diskreditierte, war ich beinahe froh, lediglich die abgeschwĂ€chte Form des Mordstrumms abbekommen zu haben.

Des Weiteren stellte auch der Begriff „ein bisserl“ – in verniedlichter Form „ein bissi“ – fĂŒr mein kindliches Ich eine wahre Imaginationsattacke dar. „Der is wohl a bissl deppert!“ erinnert mich noch heute an ach so vermissenswerte Stunden am Fußballplatz. Diese beinahe liebevoll umschriebene Infragestellung des Geisteszustandes eines Kickers durch meinen Vater mutete stets harmlos gegen so manch anderes Vernommene an, das ich dort zu Ohren bekam. „Hearst, der beidlt am Watschnbaam!“ oder „Der hoslt heut no ane o, wauns so weidageht!“ gehörten noch zu den harmlosen VerbalstilblĂŒten des klassischen Fußballplatzjargons – damals. Bei „Gusch, sunst boscht’s“ – kommend aus der Ecke der Fans der gegnerischen Mannschaft – meinte Vati meist, es sei Zeit fĂŒr eine Wurstsemmel und ein Kracherl.

Wenn Besuch zu uns ins Weinviertel kam, dann wurde natĂŒrlich unser GrĂŒner Veltliner – damals noch in reinster Urform, DAC-prĂ€dikatlos – kredenzt. Auch da war mein Vater in seinem Element. War das erste Glas geleert, dann wurde um die Vernichtung des Flaschenrestes (in Form eines Linguisten begeisternden Klimax) gebuhlt: „Na kumm, no a Eutzerl!“, das bei Zögern zu einem „Wengerl“ wurde, um ĂŒberzeugend verwirklichend zum Tröpferl zu werden, das mit nochmaligem Nachdruck zum „Schluckerl“ wuchs und schlussendlich zu einem „kleinen Glaserl“ mutierte. Diese meist erfolgreich geendeten Überredungsversuche werden seitens der Nachkommen aller Betroffenen noch heute als die „legendĂ€ren Besuche beim Siegi“ bezeichnet.

Meine Anthropologen-Tochter könnte sicher feldforschend die Herkunft dieser AusdrĂŒcke aus alten Sitten und GebrĂ€uchen hervorkramen. Alles natĂŒrlich nur vermutend 
 obwohl sicherlich „ein Futzerl“ Wahrheit auch hier dahinterstecken wird. Doch auf jeden Fall „bewahrenswert“!

© Mary Modl 2019-07-16

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