W. A. Mozart und Anna Gottlieb

Heidemarie Brezina

von Heidemarie Brezina

Story
St. Marxer Friedhof Wien 1751 – 2024

W. A. Mozart (1756 -1791) und Anna Gottlieb (1774 – 1856) St. Marxer Friedhof. In dieser Geschichte erzähle ich von der musikalischen Beziehung Mozarts zu Anna Gottlieb.

Ich ging im Schatten der Bäume vorbei an Grabsteinreihen und erreichte die Stelle, wo „mit größter Wahrscheinlichkeit“ Wolfgang Amadeus Mozart begraben wurde. Über die Todesursache wird noch immer spekuliert. „Hitziges Frieselfieber“ steht im Totenprotokoll. Es war damals üblich, den Trauerzug nur bis zur Stadtgrenze zu begleiten. Am Friedhof kam der Leichnam 48 Stunden in eine Leichenkammer, um Scheintote eventuell noch zu retten. Die Beisetzung erfolgte am St.Marxer Friedhof in einem Gemeinschaftsgrab ohne Kreuz im Dezember 1791, wie es damals üblich war. Erst zum 100. Geburtstag ehrte man den großen Komponisten mit einem Grabmal am Zentralfriedhof und mit einem Gedenkstein am St.Marxer Friedhof. Dies führt oft zu Verwirrung unter den Fans des Komponisten. Er arbeitete in seinen letzten Wochen an mehreren bedeutenden Werken, darunter die Oper „Die Zauberflöte“, die am 30. September 1791 in Wien uraufgeführt wurde. Zwei Monate später starb Mozart mit 35 Jahren. Ich blieb eine Weile, um die Bedeutung dieses Ortes auf mich wirken zu lassen. Auf einem verwachsenen schmalen Weg entdeckte ich den Grabstein von Mozarts erster Pamina, die von Anna Maria Josepha Francisca Gottlieb, genannt Nannerl, gesungen wurde bei der Uraufführung der Zauberflöte. Sie war die Tochter des Schauspielers, der in Wien unter dem Namen Jackerl als Darsteller derb-komischer Rollen beliebt war. Ihre Mutter war eine Opernsängerin, die als Sängerin und Schauspielerin am Wiener Hoftheater tätig war. Anna war eine von vier Töchtern, erhielt früh Gesangsunterricht. Sie war gerade einmal 12 Jahre alt war, als sie erstmals mit Mozart zusammenarbeitete. Sie spielte 1781 die Rolle der Barbarina in der Uraufführung von „Le nozze di Figaro“ (Die Hochzeit des Figaro). Ihre Stimme und ihr schauspielerisches Können beeindruckten Mozart. Als Mozart an der „Zauberflöte“ arbeitete, suchte er nach einer geeigneten Sängerin für die Rolle der Pamina. Er erinnerte sich an die junge Anna Gottlieb, die mittlerweile 17 Jahre alt war. Mozart wusste, dass sie die Rolle der Pamina meistern konnte. Er vertraute ihrem Talent. Die Uraufführung wurde ein großer Erfolg für Anna. Annas Grabstein am St.Marxer Friedhof weist sie als Sängerin und Schauspielerin aus. Sie blieb unverheiratet. Als sich ihre Singstimme verschlechterte, konnte sie aber weiter als Schauspielerin auftreten. Sie musste mit ungefähr 50 Jahren das Theater verlassen, ohne finanzielle Unterstützung. Um über die Runden zu kommen, könnte sie gezwungen gewesen sein, persönliche Gegenstände oder Erinnerungsstücke zu verkaufen. Sie lebte in ärmlichen Verhältnissen. Als sie geboren wurde regierte Josef II, sie erlebte die napoleonischen Truppen in Wien und bei der Revolution 1848 war sie bereits 74 Jahre alt. Sie erlebte auch die Thronbesteigung Kaiser Franz Josephs. Bei der Feier von Mozarts 100. Geburtstag 1856 am Zentralfriedhof, wo ein Grabmal enthüllt wurde, erinnerte man sich an die erste Pamina, man lud sie ein und ehrte sie. Sie freute sich sehr. Eine Woche danach starb sie mit 82 Jahren. In Mozarts Zauberflöte bleibt sie unsterblich. Jeder einzelne Grabstein erzählt eine eigene Geschichte.

© Heidemarie Brezina 2024-06-06

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Emotional, Inspirierend, Reflektierend
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