von Nina Waldkirch
Ankunft Flughafen Simbabwe. Hier gibt es kein Gate, keine langen Flughallen oder gar Rolltreppen, sondern lediglich eine kleine Gangway, die an das Flugzeug herangeschoben wird. Wir überqueren das Rollfeld zu Fuß und stellen uns in der langen Schlange des überfüllten Holzunterstandes an, der als Passkontrolle dient. Kaum verlassen wir den Flughafen, fallen Taxifahrer wie Ameisen über uns her. Jeder hat den besten Abzocker-Preis, um uns zu unserer Unterkunft zu fahren. Doch glücklicherweise haben wir unseren eigenen Shuttle-Service zur ‚Gorges Lodge‘, die ziemlich abgelegen liegt.
Sobald wir losfahren, prasseln die Eindrücke nur so auf uns nieder. Wir lassen mehrere Militärfahrzeuge passieren, auf denen Soldaten mit schweren Maschinengewehren im Anschlag sitzen. Schmutzige, kleine Hände bettelnder Kinder klatschen auf unsere Fensterscheibe. Unserer Fahrer schimpft mit ihnen und scheucht sie beiseite, damit er wieder beschleunigen kann. Ich glaube meinen Augen nicht zu trauen, als ich einen Pavian am Straßenrand sehe, der gerade versucht, einem Halbstarken Essen zu klauen. Eine Bande Jugendlicher vertreibt ihn mit wilden Gesten und einem dröhnenden Ghettoblaster. Ich frage mich, wer in diesem Land gefährlicher ist: die Affen oder die Menschen.
Nach einer Weile biegt unser klimatisiertes Auto von der gepflasterten Straße ab auf eine ungeteerte Piste. Hier legt sich der Tumult der Hauptstraße langsam. Mein Mann und ich besprechen, wie wir die drei Tage Zwischenstopp in Simbabwe am besten nutzen und wie wir dabei von A nach B kommen. Nach fast einer halben Stunde Fahrt erregt ein vollgepackter Schubkarren, der von einem Bullen gezogen wird, meine Aufmerksamkeit. Ich frage unseren Fahrer, was es damit auf sich hat. »Ah, unser afrikanischer Ferrari«, lacht er stolz. »Sowas haben nur Wohlhabende.« Der Mann, der den Bullen führt, sieht alles andere als wohlhabend aus. »Normalerweise trägt man alles selbst«, erklärt er und zeigt auf eine Frau auf der anderen Straßenseite, die ein Dutzend Orangen auf ihrem Kopf balanciert und schwere Eimer voll Wasser trägt. Weit und breit ist kein Dorf zu sehen. Alles, was die Dorfbewohner nicht selbst anbauen können, müssen sie zu Fuß in der Stadt kaufen und nach Hause tragen. Da sie in der Regel keine Transportmittel besitzen, müssen sie sich gut überlegen, für welche Lebensmittel sie den weiten Weg auf sich nehmen. Plötzlich kommt es mir lächerlich vor, unsere Route an Sehenswürdigkeiten zu planen, während die Einheimischen tagtäglich ihre Kilometer weiten Märsche für Essensrationen antreten und dabei priorisieren müssen, welches Lebensmittel heute am dringendsten benötigt wird.
Ich klappe meinen Reiseführer zu und blicke nachdenklich der schwer schleppenden Frau, dem angestrengt ziehenden Bullen, den diebischen Pavianen und der vorbeiziehenden afrikanischen Steppe hinterher. Wie unterschiedlich unsere (Lebens-)Wege doch sind.
© Nina Waldkirch 2021-03-14