Weihnachtswünsche wachsen in den Himmel

Gabriele_Krele-Art

von Gabriele_Krele-Art

Story

Liebes Christkind,

ich schreibe dir schon jetzt, damit du genügend Zeit für die Besorgungen hast. Heuer ist meine Wunschliste nämlich besonders lang. Ich konnte mich einfach nicht entscheiden.

Bitte lege mir einen ferngesteuerten Jeep unter den Weihnachtsbaum, einen, der über Stock und Stein fahren kann und über Hindernisse springt. Von Lego hätte ich gerne einen Kran-LKW mit einem großen Teleskopausleger. Ich würde mich auch über eine Kugelbahn mit breiten Kurven freuen, wo die Murmeln einander überholen können. In einem Spielzeugkatalog habe ich einen Roboter gesehen, den man auf die Suche nach Magneten schicken kann. Kannst du den auch besorgen? Mein Freund, der Michi, hat im Vorjahr ein Zauberer-Set bekommen. Vielleicht kannst du mir auch eines unter den Baum legen. Fast hätte ich es vergessen: Einen Laptop für Computerspiele brauche ich unbedingt. Florian und Tobias haben auch so einen.

Hoffentlich habe ich nichts vergessen. Wenn mir noch etwas einfällt, schreibe ich es dir. Hast DU auch einen Wunsch, liebes Christkind? Dein Pauli

Lieber Pauli,

da hast du aber wirklich eine lange Wunschliste geschrieben. In den Spielzeuggeschäften braucht man viel Zeit und Geduld, um das Richtige für jedes Kind zu finden. Außerdem muss ich viel Geld besorgen. Auch das Christkind bekommt nichts geschenkt.

Dass DU mir auch ein Geschenk machen willst, ist sehr lieb von dir, Pauli. Ich wünsche mir LIEBE und FRIEDEN in den Familien und auf der Welt, ZUFRIEDENHEIT der Menschen mit den Dingen, die sie besitzen und DANKBARKEIT für die lieben Menschen, die sie begleiten. Ich wünsche mir von den Kindern BESCHEIDENHEIT, damit ihre Wünsche nicht in den Himmel wachsen. Du siehst, Pauli, meine Geschenke musst du nicht in Papier packen und unter den Christbaum legen. Dein Christkind

Dann lähmte ein Blackout den Weihnachtstrubel. Es gab kein Geld in der Bank und die Spielzeuggeschäfte waren auch geschlossen. Die Autos blieben in den Garagen. Es gab kein Benzin. Für das Weihnachtsessen wurden kleine Lebensmittelrationen ausgegeben, die sich die Menschen zu Fuß abholten. Sie heizten ihre Kamine ein und bereiteten einfache Mahlzeiten zu. Die Großfamilien setzten sich an den festlich gedeckten Tisch und genossen das gemeinsame Weihnachtsessen. Sie zündeten die Kerzen auf dem Weihnachtsbaum an und sangen Lieder. Sie beteten für den Frieden auf Erden und waren dankbar für das, was sie im Augenblick hatten: ihre liebsten Menschen, mit denen sie das große Fest in Bescheidenheit feiern konnten. Die Kinder suchten nach ihren alten Brett- und Kartenspielen. Es wurde herzlich gelacht wie noch selten zuvor zu Weihnachten.

Nach den Feiertagen kam der elektrische Strom zurück. Der Blackout war bald vergessen, denn er hatte nur in der Vorstellung der Menschen stattgefunden. Das Christkind hatte sich zu früh über seine Geschenke gefreut. Paulis Augen aber strahlten unter dem Lichterbaum. Das Christkind hatte tatsächlich sein Bestes gegeben.

© Gabriele_Krele-Art 2022-12-08

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