Weißer Vollmond

Walter Weinberg

von Walter Weinberg

Story

Wir trafen Prof. Schramml am Gang. Er ersuchte uns ihm beim Aufräumen des Physik- und Chemiekabinettes zu helfen. Guido und ich willigten sofort ein, da wir wussten, es wird ein großer Spaß. Wir räumten zuerst alle Geräte für die Experimente aus den Kästen und spielten damit. Eigentlich ließen wir die ganze Arbeit dem Professor machen. Überraschend warf er alle Reagenzgläser weg, und meinte: „Ein Reagenzglas kostet nur einen Schilling. Der Tropfen Spülmittel zum Abwaschen ist teurer!“ Wir sagten zueinander: „Wie unser Chemie- und Physikgenie meint!“ Guido und ich fanden Phosphor, und wollten das Experiment vom Chemieunterricht wiederholen. Wir entzündeten den Phosphor. Die weiße Flamme sah so toll aus, dass wir uns beide etwas von dem Phosphor mitnahmen.

Da der Professor gerade neben mir stand, bemerkte ich spaßhalber: „Schau, da ist ein Totenkopf auf dem Kästchen. Was ist da wohl drinnen?“ Schramml wandte sich zu mir: „Nein, Weinbergmair. Das darfst Du nicht öffnen. Da ist Salzsäure und Natrium drinnen!“ Ich erwiderte: „Was, Salzsäure und Natrium? Das ist meine Lieblingsspeise! Komm Guido essen wir Natrium!“ Der Professor war ganz entsetzt und wurde nervös. Trotz Spaß und nicht verrichteter Arbeit bekam jeder von uns zehn Schilling. Ich denke, der Professor wollte einfach nur Gesellschaft.

Als ich wieder einmal wegen all meiner Probleme nicht schlafen konnte, stand ich um vier Uhr morgens auf. Der Vollmond schien sehr hell, und ich beschloss nach draußen zu gehen. Das Tor im Schloss Dachsberg war nicht versperrt, und so konnte ich ungehindert in die Nacht spazieren. Ich wanderte eine Weile in der vom Vollmond beleuchteten Umgebung.

Vielleicht lag meine Schlaflosigkeit an der gefährlichen Dachsberger Erdstrahlung. Oft wurde von den häufigen Todesfällen im Kloster berichtet. Auch schon zu Schulzeiten von Dobis Onkel starben die Patres weg wie nichts. In meiner Schulzeit starb zuerst Pater Biregger an Krebs, dann Pater Harrer, und jetzt hatte Pater Preining Krebs. Ein Jahr später verstarb er daran.

Bei Pater Preining könnte es auch sein hoher Nikotinkonsum gewesen sein. Als ich im Beichtstuhl einmal bei ihm beichtete, war der Zigarettengeruch fast unerträglich. Die Ärzte untersagten ihm wegen des Krebses das Rauchen. Da er aber von seiner Sucht nicht los kam, stand er jeden Morgen um 4 Uhr auf, um heimlich zu rauchen, wie Josy berichtete. Er ertappte Pater Preining dabei, denn wegen seiner vielen Arbeiten stand Josy auch um vier auf. Gott sei Dank bin ich bei meiner nächtlichen Wanderung nicht auf Pater Preining gestoßen. Das hätte wieder eine saftige Strafe nach sich gezogen! Da es Preining nicht passte, dass er von Josy gesehen wurde, kam dessen Zorn über ihn. Josy musste sich anhören, dass er zu faul sei. Josy erfüllte aber seine Aufgaben sehr gewissenhaft! Er war Hausmeister, Gärtner, Tischler und Organist. Er machte alles im Kloster und in der Schule. Dazu kamen noch seine vielen künstlerischen Tätigkeiten.

© Walter Weinberg 2020-09-28

Hashtags