von Ulrike Nikolai
Ein Holzsteg, der auf einen großen Stein zuläuft, macht mich neugierig. Wenn ich etwas sehe, was sich mir nicht auf den ersten Blick erschließt, dann muss ich hingehen, um der Sache auf den Grund zu kommen.
Eine kleine mit einem Holzgeländer umfriedete Nische birgt etwas für mich Geheimnisvolles.
Erzählstein Sylt steht am Geländer über dem Stein. Mein Herz lacht freudig auf: Ein ERZÄHLSTEIN!? Was mag hier vor sich gehen? Treffen sich Menschen an diesem Stein, die sich etwas erzählen? Werden hier Erzählungen vorgetragen? Trifft man sich an diesem Platz, um Erzählungen zu schreiben? Oder ist es etwas Mystisches – etwa, dass einem der Stein selbst etwas erzählt, wenn man sich hinhockt und sein Ohr an ihn legt?
Aber ich muss ja gar nicht lange spekulieren, denn auf dem Stein prangt ein riesiger QR-Code! Wie gut, dass ich vorm Verlassen des Hauses mein Smartphone eingesteckt habe! Auch, wenn man die Natur liebt und nur einen kleinen Spaziergang durch seinen Schreibgarten des Glücks unternehmen will, ist dieses kleine und vielfältige Werkzeug doch immer von Nutzen! Ich ziehe es aus meiner Hosentasche und scanne den Code ein. Und schon öffnet sich ein „Erklärbär“ und erzählt mir vom Hintergrund des Steins, von der Idee, die sich dahinter verbirgt:
Den Anstoß zu dem Erzählstein, so erläutert Katja Hausmann, die Erfinderin dieser Idee, gab das Märchen „Vom Ursprung der Geschichten“ des Indianer-Stammes der Seneca: In diesem erzählt ein Stein Geschichten und beauftragt seine Zuhörer, die Märchen lebendig zu erhalten und weiterzutragen.
Konkret, so erläutert die bundesweit bekannte Märchenerzählerin, dreht es sich dabei um Geschichten, welche von Heilung, Trost und Hoffnung handeln. Mit ihnen möchte Katja Hausmann zum Beispiel den Krebs-Patienten der benachbarten Rehaklinik Kraft spenden: „Und wenn die Patienten nur einen Satz zur Inspiration und zur Stärkung mitnehmen“, beschreibt Katja Hausmann die Hoffnung, die sie mit dem Stein verbindet.
Was für eine wunderbare Idee, denke ich und decke nach dem Rückweg ins Haus den Frühstückstisch, begleitet von den zauberhaften Koloraturen eines Zaunkönigs, der im nahen Wäldchen auf einem Baum sitzt.
Zum Frühstück gibt es zuerst das Lied zum Meer, anschließend das Märchen „Der Blinde“, das uns mit seinen Weisheiten ganz und gar verzaubert. Was für ein märchenhafter Tagesbeginn!
www.maerchencoaching.de/erz%C3%A4hlstein
© Ulrike Nikolai 2024-05-14