Wer malt dieses Bild?

Habe ich dieses wunderschöne Bild gemalt? Es ist so schön, dass es mir Tränen in die Augen zaubert.

Es sind so viele Tränen, dass ein Taschentuch sie nicht mehr auffangen kann. Sie fließen über meine Wangen und durchnässen meine Bluse.

Wie sie so unerwartet an mir herab gleiten erkenne ich, dass sie nicht aus reinem Wasser sind.

Sie entspringen glasklar, um sich dann bunt zu färben und sich zusammenzufinden zu aufregenden Farbkombinationen.

Eine rote Träne vermischt sich mit Weiß zu tausend verschiedenen rosaroten Tönen. Blau und Gelb ahmen die Farben der Natur nach. Violett macht starke Kontraste. Dunkle Tränen zeichnen die Schatten.

Sie alle tropfen auf die Leinwand und übernehmen die Regie im Bild.

Ich erkenne, dass sie versuchen auf meinem Bild das zu malen, was sie fühlen. Es sind meine Tränen also ist es wohl das, was ich fühle.

Es entsteht ein Bild aus vielen Teilen, die nur durch die Kraft der Farben zusammen gehalten werden. Die Teile klammern sich nicht aneinander, sie werden je nach Intensität der Farben wieder zerlegt und neu zusammengesetzt.

In jedem Augenblick entstehen neue wunderbare Plätze auf dem Bild.

Die Tränen genießen diese ungeplante Kreativität und schauen nicht zurück in die Vergangenheit. Sie trauern dem Anblick nicht nach, den das Bild vor der nächsten Träne geboten hat.

Die Vorarbeit, die andere geleistet haben erkennen sie dankbar an.

Die Vergangenheit wirkt in die Zukunft.

Wenn sich eine Farbe mit einer anderen mischt, versuchen neue Tränen nicht zu stören.

Sie halten kurz inne, um dann mit mehr Stärke das bunte Wasser ins Bild einzufügen. Mit dieser Kraft entsteht immer wieder Neues das auf dem Vorhandenen aufbaut.

Nichts wird zerstört.

Die Vergangenheit lässt eine Zukunft entstehen. Jetzt ist Vertrauen nötig um die Vergangenheit loszulassen und sich in Dankbarkeit an sie zu erinnern.