„Im Weißen Rössl am Wolfgangsee, da steht das Glück vor der Tür. Es ruft dir zu: Guten Morgen!, tritt ein und vergiss deine Sorgen…“
Mit dem Lied aus der gleichnamigen Operette von Ralph Benatzky verhalf Robert Gilbert nicht nur einem Hotel, sondern einer ganzen Region zur unbezahlten Werbung, die bis heute – mehr als 90 Jahre nach der Uraufführung in Berlin – Früchte trägt. Denn wir wissen alle: „Im Salzkammergut, da kamma gut lustig sein!“
Robert Gilbert, geboren 29. September 1899 als Robert David Winterfeld in Berlin, war der Sohn von Max Winterfeld. Der Komponist schaffte unter dem Namen Jean Gilbert mit der Operette „Die keusche Susanne“ mit dem bekannten Lied „Puppchen, du bist mein Augenstern“ den Durchbruch. In der Brust des Sohnes wohnten zwei Seelen. Einerseits engagierte sich er politisch und schrieb unter seinem bürgerlichen Namen Robert Winterfeld „Das Stempellied“, das zu einem klassischen Arbeiterkampflied wurde. Andrerseits erkannte er die Vorteile regelmäßiger Tantiemen und verfasste unter seinem Künstlernamen Robert Gilbert locker-frivole Texte für Revuen und Operetten. „Vom Schopenhauer zum Gassenhauer“, skizzierte er seinen Lebenslauf.
Und dann entdeckte ihn auch der neue Tonfilm. Mit dem Komponisten Werner Richard Heymann schuf er unvergessene Evergreens: „Ein Freund, ein guter Freund“ und „Liebling, mein Herz lässt dich grüßen“ (aus: „Die Drei von der Tankstelle“), „Das gibt’s nur einmal“ (aus: „Der Kongreß tanzt“) und „Das ist die Liebe der Matrosen“ (aus: „Bomben auf Monte Carlo“). Stars wie Lilian Harvey, Willy Fritsch, Zarah Leander, Heinz Rühmann und Willi Forst sangen Gilberts Texte. Das Lied „Irgendwo auf der Welt“ aus dem Film „Ein blonder Traum“ machten die Comedian Harmonists zum Hit und berührt auch heute noch die Herzen.
Als Jude war Gilbert gezwungen, nach der Machtergreifung der Nazis 1933 nach Österreich zu fliehen und fünf Jahre später in die USA zu emigrieren. Seine europäische Prominenz nützte ihm dort nicht viel. Er schrieb für das New Yorker Exilkabarett und räsonierte: „Da wär’s halt gut, wenn man Englisch könnt!“ Was für ein Glück es war, dass Gilbert es doch erlernte, sollte sich Jahre später herausstellen.
Nach elf Hungerjahren kehrte Robert Gilbert, mittlerweile amerikanischer Staatsbürger, nach Europa zurück und startete eine sensationelle Karriere als Übersetzer, die er Frederic Loewe alias Fritz Löwe, seinem alten Freund aus Berliner Tagen, zu verdanken hatte. Dem ersten Geniestreich, der Übertragung des Musicals „My Fair Lady“ ins Deutsche und ins Berlinerische, folgten 22 weitere Übersetzungen, darunter „Annie get your gun“, „Hello Dolly“, „Cabaret“, „Oklahoma“ und „Der Mann von La Mancha“.
Gilbert war eine echte Berliner Schnauze. „Erwarte mir als Verfasser der Liedtexte zum Weißen Rössl mindestens ein Denkmal aus Zwetschgenknödeln“, meinte er schnoddrig. Der Wunsch blieb unerfüllt. Er starb am 20. März 1978 in Locarno in der Schweiz.
© 2020-11-28