Schöner Gigolo, armer Gigolo

Story

„Schöner Gigolo, armer Gigolo, denke nicht mehr an die Zeiten, wo du als Husar, goldverschnĂĽrt sogar, konntest durch die StraĂźen reiten! Uniform passĂ©, Liebchen sagt: Adieu!/Schöne Welt, du gingst in Fransen! Wenn das Herz dir auch bricht, zeig‘ ein lachendes Gesicht, man zahlt und du musst tanzen!“

Im Hotel Adlon in Berlin hatte Julius Brammer 1924 den Einfall zu „Schöner Gigolo“. Er setzte damit jenen Männern ein literarisches Denkmal, die nach dem 1. Weltkrieg ihr Geld damit verdienten, mit den Damen der Gesellschaft (nicht nur) zu tanzen. Darunter auch Samuel Wilder, der später als Billy Wilder Weltkarriere als Regisseur und Drehbuchautor machen sollte. Der Begriff Gigolo leitet sich vermutlich von dem französischen Wort „gigoter“ ab, was soviel wie „herumzappeln“ bedeutet. Die Eintänzer waren meist ehemalige Offiziere und brachten als Qualifikation gutes Benehmen, elegante Ausstrahlung und Diskretion mit.

FĂĽnf Jahre lag der Text unvertont in der Schublade. Dann kam Brammer ein Zufall zu Hilfe. Der mittlerweile sehr erfolgreiche Operettenlibrettist saĂź in einer Bar in Istrien, wo ein Pianist eine Tango-Melodie klimperte, die ihm sofort gefiel. Leonello Casucci aus Mailand hätte das StĂĽck geschrieben, mehr wusste der Klavierspieler nicht. Prompt fuhr Brammer nach Italien, um ihn ausfindig zu machen. Was ihm auch gelang. Casucci konnte es kaum fassen, als er zur Vertragsunterzeichnung nach Wien gebeten wurde. Der arme Gigolo machte aus ihm einen reichen Mann. Als Star-Tenor Richard Tauber 1929 mit dem Orchester Bela Dajos eine Platte aufnahm, wurde das Lied ein Riesenhit. In den 1930erJahren sangen Louis Armstrong und Bing Crosby die englische Fassung „Just a Gigolo“. Mit einer Textadaptierung von Irving Caesar („I Ain’t Got Nobody“) machte Louis Prima 1956 den Gigolo zum Swingstandard.

Julius Brammer, geboren am 9. März 1877 in Sehraditz in Mähren, zeigte früh Interesse für die leichte Muse. Die Operette wurde zu seiner großen Leidenschaft. Ab 1908 war er fast nur mehr als Bühnenschriftsteller tätig. Ein Glücksfall für Brammer war die Begegnung mit Alfred Grünwald. Mit der Operette „Elektra“ begann 1909 eine 10-jährige erfolgreiche Zusammenarbeit. Das Duo zählte zu den kreativsten Köpfen der Silbernen Operetten-Ära und schrieb für Komponisten wie Franz Lehár, Leo Fall, Oscar Straus, Leo Ascher und Emmerich Kálmán. Mit letzterem entstanden „Die Zirkusprinzessin“ und „Die Gräfin Mariza“, in der die geniale Textzeile vorkommt: „Meine Leidenschaft brennt heißer noch als Gulaschsaft!“

Julius Brammer ereilte das Los vieler jüdischer Künstler. Er musste nach dem Anschluss 1938 Wien verlassen und flüchtete mit seiner Frau Rosemarie an die Côte d’Azur. Doch auch seine Welt war in Fransen gegangen. In Juan-les-Pins starb er am 18. April 1943 an einem Herzversagen.

© 2020-11-21

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