Vermutlich haben Sie 2025 viele Ideen und Vorhaben, so wie ich. Mehr Sport treiben, gesünder leben, das lang gehegte Projekt endlich anfangen, Aufgeschobenes einfach in die Tat umsetzen.
Der Beginn eines neuen Jahres setzt traditionsgemäß großen Aktionismus frei, fast jährlich das gleiche Spiel. Und in der Tat, es stimmt ja: Wer etwas tut, fühlt sich lebendig, beweist, dass er da ist, mit beiden Beinen mitten im Leben steht, die Dinge im Griff hat; ganz abgesehen davon, dass mein Möglichkeitsraum gut gefüllt werden will. Gebraucht wird ein großer voller Kalender, ein Plan, der uns sicher durch das Jahr leitet und begleitet.
Doch spricht aus solchem Tatendrang bei näherem Hinsehen eben auch Angst. Oder Panik? Nun, vor dem Nichts. Der Philosoph Byung-Chul Han hat das in seinem Buch “Müdigkeitsgesellschaft” einmal gut auf den Punkt gebracht:“ Wir leiden an einem Übermaß an Positivität, die sich ausdrückt in dem Imperativ: „Yes, we can!” Unser Können übernimmt das Regiment.
Das Nichtkönnen in Form von Schicksal oder Tod wird verdrängt. Natürlich ist es gut, dass wir alles daransetzen, Leben durch die Errungenschaften der Medizin zu retten. Für mich ist es auch ein Segen, dass Forscher so schnell einen Impfstoff entwickeln konnten, der hilft, Menschen zu schützen. Auf der anderen Seite fällt es uns immer schwerer, Unverfügbares zu akzeptieren. Virale Bedrohungen können über die Menschheit hereinbrechen und Leben vernichten, ohne dass jemand daran schuld ist.
Wieso also dem Übermaß an Positivem begegnen?
Die Überschrift ist eine Einladung an mich, meine vielen Pläne einmal zur Seite zu schieben und eine ganz andere Perspektive einzunehmen. Aus einem Blickwinkel nämlich, der die Tatsache meiner Sterblichkeit einschließt. Wir alle werden dereinst aus dieser Welt wieder verschwinden: Für viele mag diese Gewissheit schrecklich sein. In Wahrheit aber birgt sie für mich die Chance, zu einem ganz anderen Selbstverhältnis zu gelangen, das der Negativität ihren Platz einräumt.
Entwickle ich den Gedanken weiter, könnte das heißen: Anstatt mich ins neue Jahr zu werfen, gälte es, vom vorweggenommenen Ende her zurückzuschauen: Wer will ich gewesen sein? Von diesem Standpunkt aus werden Sie (ich) vielleicht vieles von dem, was wir augenblicklich als unbedingt notwendig erachten, plötzlich viel gelassener sehen. Gleichzeitig hoffe ich, dass unsere Fragen Sie ermutigen, wach, kritisch und neugierig zu bleiben. Denn es ist einfach die E r k e n n t n i s l u s t, die uns einer Antwort näherbringt.
Hinweis: Philosophie Magazin Nr. 02/ 2022
© Hermann Exenberger 2022-01-07