Wie geht das Schreiben?

Wolfgang Mayer König

von Wolfgang Mayer König

Story

Wolfgang Mayer König

Wenn ich mir Notizen mache, dann nur deshalb, um einen

Gedankengang oder eine besonders treffende, einprägsame

Formulierung nicht zu vergessen-also zu verlieren, oder erst der

Veränderung einer ungewissen Erinnerungsleistung anzuvertrauen.

Aufwärmen durch Erinnerung hat für mich immer einen schalen

Beigeschmack. Vorher prüfe ich, ob die Formulierung die

Verweisungsfunktion verloren hat. Denn alles Belehrende hat in der

Literatur nichts verloren. Auch wenn ich etwas träume und aufwache,

und ich träume manchmal in besonders lebendig gestalteten

Erzählungen oder anrührenden, sich rückläufig aufarbeitenden

Gedichten, dann nehme ich schnell Zettel und Bleistift zur Hand, und

erlebe, ob von diesem Traumerlebnis sprachlich und schriftlich noch

etwas überbleibt oder nicht. Meistens ist es ohnehin schon die dichtende

Fahrt selbst, und ich sitze schon im Zug und unternehme eine Reise ins

Ungewisse. Das wuchert aber dann ohnehin nicht aus. Denn auch das

hat einen Anfang und ein Ende, einen Mittelteil, mehrere Abschnitte, bis

das sprachlich zu bewältigende Etwas, nicht das Problem, geschrieben

ist, eben nicht beschrieben sondern geschrieben. Da reguliert sich alles

wie von selbst. Ob es ein Gedicht wird, oder eine Novelle, oder ein

Roman. Das wird von der Intensität des Erlebens bestimmt: auch die

Wahl des sprachlichen und bildnerisch-sprachlichen Handwerkzeuges,

auch die Vermeidung von schwatzhaftem Ornament, auch der bewußte

Einsatz von Argot oder Rotwelsch, all das bestimmt die Intensität des

Erlebens und eben nicht des Aufwärmens. Meistens sind die Arbeiten

wie aus einem Guss, wie ein überstandenes Fieber, eben ein Werkstück.

Die Notwendigkeit des Korrigierens bringt meistens nur die vertrottelte

Autokorrektur des Computers mit sich. Früher habe ich die Werke

überschlafen müssen, war morgens dann mein erster und vielleicht

einziger eigener Leser, und habe hinzugefügt, weggelassen und

verändert, so, dass ich vielleicht heute noch daran sitzen würde. Das hat

sich mit der Zeit radikal verändert. Nicht ich, sondern die Arbeiten sitzen,

passen, haben Luft und sind lebendig, um als solches endlich

ausgesandt zu werden, ob mit oder ohne Erfolg. Wer nach dem

Publikumsgeschmack schielt, mag zwar nach außen hin gewinnen, aber

hat für und vor sich immer verloren. Ich schreibe meistens so lange, bis

es fertig ist. Oft Tage und Nächte durch. Selten mache ich Pausen. Nie

Schreibpausen. Schreibanlässe haben mir noch nie gefehlt. Wenn sie

sich stauen, habe ich eine Gelassenheit entwickelt, die auch zum

Handwerkzeug des Schreibens und der Zusammenschau der Dinge

zählt.

© Wolfgang Mayer König 2021-07-04

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