Wie lange willst du noch PATIENT sein?

Tamara Haas

von Tamara Haas

Story

♿ Ich habe keine Patienten. Zu mir kommen nur Menschen in meine Ordination die keine Patienten mehr sein wollen.

Patient ist lateinisch und hat die Bedeutung dass man seine Leiden still und geduldig ertragen soll. 😷 Ja gehts noch!?!? Wer hat sich den bitte in der Vergangenheit einen solchen Bockmist ausgedacht?!?! 😤

Ja ich war immer schon eine sehr unangenehme Studentin. Ich habe nicht einfach alles brav auswendig gelernt, weil ich das in der Schule schon nicht gut konnte. Ich musste immer alles in seiner Tiefe verstehen und mir die Zusammenhänge selbst herstellen. Da führt zu zwei Dingen. Erstens: du brauchst viermal so lange wie alle anderen beim Lernen. Am Anfang bist du daher ein Versager und später wenn dein Wissensnetz größer ist als das aller anderen, ein Streber. In beiden Zuständen bist du nicht gerade das beliebteste Kind in der Schule. Da wären wir auch schon bei zweitens: Später wirst du dann zur Studentin die ALLES und JEDEN hinterfragt. Vor allem die, die es nicht gewohnt sind hinterfragt zu werden. 🥼 Die lieben Herrn Doktoren in ihren weißen Kitteln, mit glänzenden Titeln auf ihren Namensschildern und ihrer unumstößlichen Weisheit und Autorität. Nur hier wendet sich das Blatt dann erstmals zu deinen Gunsten, weil sie dir nicht mehr viel anhaben können. Du hast in der Zwischenzeit genug Erfahrung gesammelt wie es ist als Einzige gegen den Strom zu schwimmen und unter alle Teppiche zu sehen, unter die die Wahrheit gekehrt wurde. Außerdem kann man dir nicht wirklich was tun wenn du dein Studium als Jahrgangsbeste, cumlaude mit voller Punktezahl absolvierst.

🐭⚔️ Wie ich vom kleinen grauen Mäuschen zur Revoluzzerin wurde ist auch spannend, aber das ist eine andere Geschichte.

Ich habe mir lange überlegt wie es soweit kommen konnte, dass wir (damit meine ich alle Menschen im weißen Gewand die im Gesundheitswesen dienen) Wörter im Alltag benutzen, die genau das Gegenteil aussagen von dem was wir eigentlich tagtäglich tun sollten. Das ist doch verrückt! Ich will auf gar keinen Fall dass die Menschen die mich um Rat fragen ihre Leiden geduldig ertragen und darauf warten dass ich alles für sie wieder in Ordnung bringe! Ich möchte auf jeden Fall dass sie die Warnsignale ihres Körpers ernst nehmen und ich ihnen lediglich beim Interpretieren helfe und ein Supermarktregal voller Lösungswege anbieten kann. Du selbst wählst daraus dann die Lösungsmöglichkeiten die für dich in diesem Moment am besten passen. Es gibt in der Medizin kein RICHTIG und FALSCH. Was für den einen in diesem Moment perfekt und stimmig ist, kann für den Nächsten mit exakt identischer Diagnose am Papier Grund verkehrt sein. Wer bin ich den schon, mich zu erdreisten einen Menschen zum „Patienten“ zu degradieren und ihm vorzuschreiben was er als nächstes zu tun hat. Ich kann mein Wissen zur Verfügung stellen, aber Entscheiden muss jeder für sich Selbst. Für denen einen ist der Weg durch eine Operation für den anderen genau das Gegenteil. Wichtig ist dass DU WÄHLST!

© Tamara Haas 2020-07-25

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