Wie mich der Kardinal auffing

Ulrike Sammer

von Ulrike Sammer

Story

In einem meiner alten Tagebücher fand ich diese Stelle:„Vergangenen Sonntag war einer der einflussreichsten Konzilsväter, Kardinal König, bei uns, d.h. bei unserem Pfarrer. Ich hatte die Ehre, ihm vorgestellt zu werden. Er ist sehr nett, unterhielt sich längere Zeit privat mit mir und wie diskutierten über verschiedene interessante Probleme. Als ich aufstand, ich saß rechts von ihm, stolperte ich. Er fing mich noch gerade auf und wir lachten beide darüber.“

Viele Jahre später war ich auf Kur im, von Klosterschwestern geführten, Kneipp-Kurhotel auf dem Dürrnberg bei Hallein und da saß der betagte Kardinal König ganz bescheiden an einem Tisch mit ihm fremden Leuten und fiel niemanden auf, der ihn nicht kannte. Das war das zweite Mal, dass ich diesen erstaunlichen Mann aus der Nähe sah.

Wer war Kardinal König?

Franz Kardinal König (1905 – 2004) war von 1956 bis 1985 Erzbischof von Wien. Franz König stammte aus einer Bauernfamilie in Niederösterreich. Franz König war das zweite von neun Kindern. Er besuchte das Stiftsgymnasium Melk und studierte in Wien und in Rom.

Im 2. Weltkrieg war er Domkurator in Sankt Pölten. Aus dieser Zeit stammt auch die Anekdote, die mir zu Ohren kam: Die Russen gingen plündernd und vergewaltigend von Haus zu Haus. Alle, besonders die Frauen, hatten große Angst. Eine Gruppe floh Hilfe suchend zu Franz König. Dieser verfrachtete sie in höchster Eile in einen Keller und gebot ihnen ganz still zu sein. Er selbst legte sich neben die Türe. Bald danach polterte ein Russe, wahrscheinlich betrunken, die Kellerstiege hinunter. Als er sich bereits einer Frau näherte, stellte sich König ihm in den Weg und herrschte ihn lautstark an, er möge sofort verschwinden, denn die Frauen hinter ihm, sind alle „seine“. Der verdutzte Soldat hatte damit nicht gerechnet und rannte (oder torkelte) die Stiege wieder hinauf.

Es gibt viele Stufen der steilen Karriere von Franz König, der als Bischof und später als Kardinal äußerst engagiert und unkonventionell war. Es gab natürlich auch immer wieder Kritik an seinen vielfältigen Initiativen. So bemühte er sich um eine Annäherung zur Ostkirche und zu den evangelischen Christen. Weil er in Österreich auch maßgeblich zur Aussöhnung zwischen Sozialdemokratie und Kirche beitrug, wurde er zuweilen „der rote Kardinal“ genannt.

Papst Johannes Paul I. soll nach seiner Wahl im August 1978 zu König gesagt haben: „Eigentlich müssten jetzt Sie an meiner Position sein.“

Bis zu seinem 80. Lebensjahr leitete König die Erzdiözese Wien. Kardinal König war berühmt für seine Reden, u.a. beim Lichtermeer am 23.Jänner 1993 und jährlich in der Ruprechtskirche im Gedenken an die Reichspogromnacht. Er stand international in hohem Ansehen. Am 13. März 2004 starb Franz König. Mit 98Jahren war er zum Zeitpunkt seines Todes der letzte noch lebende von Papst Johannes XXIII. kreierte Kardinal.

© Ulrike Sammer 2022-01-10

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