Wie Verluste das Leben verändern

Ulrike Sammer

von Ulrike Sammer

Story

Verlust und Trauer haben mein eigenes Leben von klein auf begleitet, aber konnte ich mich jemals daran gewöhnen?

Kann man sich überhaupt an Verlust, Tod und Trauer gewöhnen?

Ich kann nicht gerade behaupten, dass diese Schicksalsschläge zu meinen „Freunden“ geworden sind. Aber es gibt wenigstens ein paar Erfahrungen im Umgang mit Verlusten, auf die ich nun zurückgreifen kann, wenn das Schicksal wieder einmal zuschlägt.

Auch wenn es einem jedes Mal das Herz zerreißen möchte, macht jeder Betroffene die Erfahrung, dass der Schmerz mit der Zeit besser wird. Wie nach einer Operation. Der alte Spruch „Die Zeit heilt Wunden“ ist zwar abgedroschen, aber er stimmt trotzdem. Jedenfalls meistens …

Wie alle Menschen auf der Welt habe ich im Laufe der Zeit viele Freunde verloren. Die meisten, weil sich unsere Wege trennten (was bei meinen zahlreichen Umzügen um die halbe Welt notgedrungen war), manche auch, weil sie starben. In meinem jetzigen Alter werden es auch immer mehr… Der Verlust naher Verwandter ist jedoch in jedem Fall einschneidender als alle anderen, vor allem wenn sie ein wichtiger Teil des eigenen Lebens waren. Die entfernten Tanten und Onkeln oder die Großeltern, die ich kaum zu Gesicht bekommen habe, konnten mich vergleichsweise kalt lassen, aber die Menschen, die zu meinem eigenen Universum gehörten, haben eine besondere Bedeutung. Selbst der Onkel, der im Krieg gestorben ist, hat durch die permanente Trauer um ihn in meinen ersten Lebensjahren stark das häusliche Klima dominiert. Meine Großmutter, die mit uns wohnte, wurde durch den Verlust ihres jüngsten Sohnes depressiv. Noch viel mehr der Tod meines geliebten Großvaters und einige Jahre später das dramatische Sterben meines Vaters durch seine Krebserkrankung. Mein Leben hat sich dadurch stark verändert. Aus dieser Zeit stammen meine eigenen Erfahrungen einer verdrängten und verschleppten Trauer, die viel später zutage trat.

Es gab auch kaum Hilfe für das halbwüchsige Mädchen (das ich damals war), wie es mit dem Verlust umgehen soll. Jeder war bemüht, das Leben so weitergehen zu lassen wie vorher. So konnte weder ich noch meine Umgebung zu einer angemessenen Trauer finden.

Meine verstorbene Mutter, mit der ich sehr verbunden war, habe ich später oft vermisst, aber der mit Abstand schlimmste Verlust war jener meiner Tochter. Hilflos zusehen zu müssen, wie der Krebs trotz mehrmaliger Operationen von ihr Besitz nahm, brachte mich an meine Grenzen. Schließlich pflegte ich einige Jahre meinen geliebten Mann bis zu seinem Ende. Viele der gemeinsamen Geschichten haben gezeigt, welches perfekte Team wir waren und wie wir über die zahlreichen Jahre, die wir in Liebe miteinander verbrachten, einander immer wieder inspirierten. Die Notwendigkeit, mit dem Schmerz zurechtzukommen, hat mich kreativ nach vielen Wegen suchen lassen. Wo man Worte für das Unaussprechliche und das Unbehagliche findet, kann man auch verändern.

© Ulrike Sammer 2022-11-09

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