von SophiaSparkles
„Jetzt geben Sie die Brühe zu den glasig gebratenen und gewürfelten Zwiebeln“, sagt der Koch mit Schnauzbart im Fernsehen. Unbeeindruckt schnaube ich und schiebe mir noch ein Stück Chips in den Mund. Es läuft ja wirklich nur Schrott im Fernsehen. Kein Wunder, dass Streamingdienste so viel Zulauf bekommen, wenn man den ganzen Tag nur Kochsendungen spielt braucht man sich nicht fragen, wieso einem die Zuseher*innen davonlaufen.
Ich strecke mich und nehme die Füße von dem Fliesentisch im Wohnzimmer. Kann es denn sein, dass es bereits 18 Uhr ist? Ich schüttle den Kopf und sehe mich kurz um. Gut, die Wohnung war schon mal sauberer, aber es könnte wesentlich schlimmer sein. Immerhin habe ich gestern gesaugt. Oder war es vorgestern? Dieser scheiß Staub verteilt sich halt auch überall und vor allem wo er will. Und das gleich nachdem man geputzt hat! Für was mach ich das dann?
Ich verteile das Chipsfett auf meinen Lippen und schmunzle. Das ist immer noch der beste und leckerste Lipgloss aller Zeiten. Ich stehe kurz auf und nehme zur Kenntnis, dass der Kaktus gegenüber neben dem Fernsehen von uns gegangen ist. Ich bin ja wirklich talentiert, dass mir sogar ein Kaktus eingeht.
Meine liebe Omi, Gott hab sie selig, würde sich jetzt im Grabe umdrehen. Sämtliche Pläne, mich in die perfekte Hausfrau zu verwandeln, sind den Bach runtergegangen. Aber ganz ehrlich, das war abzusehen? Immerhin hat mich die Spielküche, die ich widerwillig zu meinem fünften Geburtstag bekommen habe, genauso wenig interessiert, wie ein Kochbuch als 15-jährige. Mit 15 wollte ich nur wissen, wie man erfolgreich Tschick aus der Handtasche der Mutter klaut oder mit dem Nachbarsjungen knutscht ohne gleich die Fieberblase seines Lebens zu bekommen. Tja, sorry, Oma. Das Leben hat eine Wendung genommen und es ist mir nicht die wichtigste Aufgabe des Lebens einen Mann* zu finden, den ich bekochen kann oder dessen Schuhe ich putzen kann. Ich bin ja schon mit mir selbst überfordert (und mit dem Kaktus, der traurig und zusammengefault am Fernsehkasten das Zeitliche gesegnet hat). Wie soll ich mit einem Mann* oder Kindern klarkommen? Ich weiß ja nicht mal, ob ich überhaupt auf Männer* stehe. Irgendwie finde ich Frauen* auch anziehend. Aber das darf ich bei meiner ländlich-konservativen Familie außerhalb Wiens ja nicht ansprechen.
Ein wenig traurig nehme ich den Kaktus aus dem Keramiktopf und schmeiße ihn in die Mülltonne. Echt Oma, deine Erziehung ist nach hinten losgegangen.
© SophiaSparkles 2021-09-07