Wildberry Lillet

von Anna Meyer

Story
Sizilien

„Was machst du da?“, fragte sie mich neugierig, als wir an einem Sonntagabend in unseren Campingstühlen dem Wellenrauschen an der Ostküste Siziliens lauschten. „Ich schreibe in mein Reisetagebuch. Soll ich dir etwas vorlesen?“, fragte ich sie, obwohl ich die Antwort schon kannte. Es war zu unserem abendlichen Ritual geworden, dass ich ihr unsere Erlebnisse vorlas und wir in Erinnerungen schwelgten. Ich fing an zu lesen: „Was für ein tolles und erlebnisreiches Wochenende! Und so schön sonnig und warm! Gestern konnten wir draußen im T-Shirt rumlaufen, heute war es leider schon wieder etwas kälter, aber trotzdem sonnig. Das Wochenende fing Freitagabend damit an, dass wir uns in Catania erst einmal einen Campingplatz für eine Nacht suchten. Immerhin war der Campingplatz recht günstig, direkt am Strand, der Betreiber war sehr nett und wir konnten direkt unseren Wassertank neu befüllen und die Toilette sauber machen. Wir erfuhren von deutschen Campern, dass an diesem Wochenende in Catania das Volksfest St. Agata stattfinden soll. Also gingen wir gleich am Abend in Richtung Altstadt mit dem Ziel: Pizzeria! Durch das Volksfest war das abendliche Catania sehr belebt. Leuchtende Deko an jeder Ecke, viele Menschen, Streetfood und überall duftendes Essen. In der Pizzeria angekommen (wir saßen draußen und konnten so das wilde Treiben beobachten), gab es erstmal ein alkoholisches Getränk und dann für jeden eine große Pizza. Zwischendurch kam eine afrikanische Armband-Verkäuferin und wollte ihr Zeug verkaufen. Sie hatte ihr Baby auf den Rücken geschnallt und das war ihr schlagendes Argument, denn nur ein Unmensch sagt „Nein“ wenn jemand nach Geld für ein Baby fragt, oder? Wir gaben ihr 2 €, wollten aber kein Armband haben, doch sie warf mir dann doch noch eines zu. Als wir die Pizzen bezahlten sagte uns die Kellnerin, dass es in 10 Minuten ein großes Feuerwerk geben würde, also gingen wir schnell dorthin, wo es eine riesige Menschenansammlung gab und wir wurden mit einem gigantischen Feuerwerk belohnt. Auch wenn ich nicht mehr so der Feuerwerkfan bin, war dies besser als das, was in so manchen deutschen Städten zu Silvester veranstaltet wird. Samstag wollten wir uns Catania noch einmal bei Tageslicht ansehen. Also ging es wieder in die Innenstadt. Dieses Mal war das erste Ziel: Croissants mit Pistaziencreme und einen Milchkaffee dazu. Nach dem Frühstück schlenderten wir noch ein wenig umher, stellten jedoch schnell fest, dass Catania nicht besonders hübsch ist und keinerlei Charme hat. Also gingen wir zurück zum Wohnmobil und steuerten unser nächstes Ziel an: Den Ätna! Wir fuhren auf 1800 Höhenmeter und erkundeten von dort aus die Vulkanlandschaft. Schon beeindruckend, die ganzen Krater, die Asche und die verhärtete Lava. Wir überlegten kurz dort oben zu schlafen, doch das ließen wir bleiben, denn nachts werden es dort oben gerne mal – 10 Grad. Wir aßen am Abend in Taormina nochmals Pizza in einer kleinen schnuckeligen Pizzeria. Wir waren fast die einzigen Gäste, da die Italiener erst ab 19 oder 20 Uhr aus ihren Häusern kommen und dann Abendbrot essen gehen.“ Der Sonntag startete mit faulenzen im Bett und wir beschlossen, in den nächsten Tagen nach Deutschland aufzubrechen, um zu einer wichtigen Familienfeier zu gehen und uns dort das erste Mal als Pärchen zu präsentieren. Die Lieblings-Oma meiner Freundin feierte ihren 80. Geburtstag.

© Anna Meyer 2024-06-29

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Emotional