von Daniela Noitz
âDu hast Dich eingeschlichen, in mein Leben, wie ein Dieb in der Nachtâ, bin ich versucht zu sagen, doch es stimmt nicht. Ich saĂ da, mitten in meinem Leben, als es plötzlich an der TĂŒre klopfte, ein wenig zaghaft, vielleicht, aber deshalb nicht weniger nachhaltig.
Ich erhob mich aus dem Durcheinander und ging zur TĂŒre. Schon hatte ich die Klinke in der Hand, als ich plötzlich innehielt, denn ich erwartete niemanden und hatte ich nichts zu erwarten, meinte ich. âWer bist Du?â, fragte ich unsicher. âWer bist Du?â, entgegnete eine Stimme von drauĂen. Langsam öffnete ich die TĂŒre und fand jemanden, der mir fremd war, und doch auch Vertrautes ausstrahlte. Ich hatte keinen Namen dafĂŒr, weder fĂŒr das Fremde noch fĂŒr das Vertraute. Es gilt einander die HĂ€nde zu reichen, um das Fremde und das Vertraute benennen zu lernen. Es gilt einen Schritt aufeinander zuzugehen, um Möglichkeiten anzunehmen, ja um Möglichkeiten zu begrĂŒnden. Und wir begrĂŒndeten in uns die Möglichkeit zum Miteinander. Wir ergreifen die Hand, die uns gereicht wird und öffnen uns in die Offenheit des aufnehmenden Blickes. Wir gehen aufeinander zu, sachte und dosiert, aber desto nachhaltiger. Nun stehen wir im Vorzimmer, und es scheint als wĂŒrden wir erst, indem wir uns uns erklĂ€rten, uns uns zu erkennen gaben, und ich breite den Arm aus, weise weiter hinein, in mein Leben, in das ich Dich mitnehmen möchte, als mein Blick sich aus dem Deinen löst und darauf fĂ€llt, auf dieses Leben, und ich sehe dieses Durcheinander.
In Deinem Blick, da hatte ich darauf vergessen, hatte ich mich tragen lassen, erweitern, doch jetzt, jetzt hat mich das Leben wieder, mit diesem Durcheinander, und ja, ich will Dich hineinbitten, will, dass Du mein Leben siehst, weil Du eigentlich schon lĂ€ngst mitten drinnen warst, wollte Dich hineinnehmen, dass Du es siehst, wie es ist, doch auf dieses Durcheinander, auf all das Unerledigte und auch Unansehnliche, darauf hatte ich vergessen. Ich fragte mich, ob ich Dir das zumuten könnte, zumuten dĂŒrfte, doch ein Blick in Deine Augen genĂŒgte, dass ich wusste, ich konnte und durfte nicht nur, ich musste, denn Du warst nicht irgendwer, der einfach so vorbeischneite, kurz plauderte und wieder ging, ohne Spuren zu hinterlassen. Mitten durch mich hindurch hattest Du Deine Spuren gesetzt, und mitten durch mein Leben. So nahm ich Dich umso nachhaltiger an der Hand, nahm Dich mit hinein, in dieses Durcheinander, lud Dich ein Dich zu mir setzen. Es hielt Dich nicht ab, dieses Durcheinander.
Du sahst Dich um, und Dein Blick war reinstes Wohlwollen, reinste Annahme, und das was mir zuvor als bloĂes Durcheinander erschien, eröffnete sich mir selbst hin als Vielfalt. Durch Deinen Blick lernte ich mich neu. Durch Deine Annahme lernte ich mich selbst neu zu sehen. Ich lernte zu unterscheiden, wo Ordnung notwendig war, und wo aus dem Chaos Neues erwuchs, Unvorhergesehenes, Unerwartetes, doch vor allem erwuchs uns inmitten des UngefĂŒgten das WirgefĂŒge, eine ganz neue Form der Systematik, die Wirmatik, wurden wir bereichert, erfĂŒllt und belebt.
© Daniela Noitz 2024-02-16