Wunschzettel

Silvia Peiker

von Silvia Peiker

Story

Weihnachten verbinde ich mit Ankunft, dem Wunder der Geburt, dem Christuskind, mit Musik, duftendem Lebkuchen, staunenden Kinderaugen … Ich könnte diese Liste noch endlos fortsetzen, denn es gibt so viele Erinnerungen, die durch meinen Kopf geistern und die ich mit euch teilen möchte.

Könnt ihr euch noch an das aufregende Gefühl erinnern, als euer Brief ans Christkind auf dem Fenstersims lag und nur darauf wartete, abgeholt zu werden? Mit wie viel Vorfreude ich diesen Wunschzettel mit goldenen Buntstiftsternen und Zeichnungen von blonden Engeln verziert habe. Und wenn endlich das heiß ersehnte Glöckchen läutete, wurden Eltern und Großeltern mit strahlenden Augen belohnt, als das glückselige Kind die erhofften Geschenke unter dem geschmückten Tannenbaum entdeckte.

Erst kürzlich schmökerte ich in den Briefchen, die einst von meinem Nachwuchs in noch krakeliger Handschrift verfasst und mit einfachen Malereien verziert worden waren. Schmunzelnd vertiefte ich mich in die Wunschliste meiner sechsjährigen Tochter:

 Liebes Christkind! Ich wünsche mir eine echte Babykatze. Postskriptum: Keine Stoffkatze!!!!

Da wir uns zu diesem Zeitpunkt bereits mit zwei waschechten Stubentigern das Haus teilten, wurde es doch eine Plüschkatze, die auf Knopfdruck miauen und schnurren konnte. Selbst die Pfoten bewegten sich dank Batterie, und so konnte sie fast wie eine „Echte“ in Konkurrenz zu den verblüfften Fellnasen durchs Wohnzimmer tapsen.

Einmal hatte ich buchstäblich vergessen, die drei Briefe unserer Kinder, die sorgfältig gefaltet bereitlagen, um von den emsigen Himmelsboten abgeholt zu werden, heimlich in der Nacht im Schlafzimmerkasten verschwinden zu lassen. Ihr könnt euch das entsetzte Gejammer der Kleinen am nächsten Morgen bestimmt vorstellen:

Mama, das Christkind hat unsere Briefe nicht mitgenommen!

Unserer sensiblen Jüngsten, die stets nah am Wasser baute, kullerten gleich dicke Tränen über die Wangen. Um keine Ausrede verlegen, tischte ich den dreien folgende Geschichte auf: Manchmal verfliegen sich selbst Engel. Unser Haus, das in der Nähe des Waldes liegt, ist in der dunklen Nacht von den hohen Bäumen verdeckt gewesen und die Engel sind leider vorbeigeflogen.

Ich versprach, eine Nachricht mit genauer Wegbeschreibung zu schicken und ihr werdet’s mir nicht glauben: Am Folgetag waren alle drei Wunschzettel wie durch Engelshand verschwunden!

Dieser Fauxpas ist mir kein zweites Mal passiert! Fortan wurden die Wunschzettel ans Christkind pünktlich abgeholt.

Eigenes Foto

 


© Silvia Peiker 2023-12-24

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Unbeschwert
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