von Sophola
Zheng goss sich Tee nach und lieĂ ihren Blick ĂŒber das Wasser schweifen. Sie liebte Wasser, schon immer und fĂŒr immer. Ob es ein Fluss war, ein See, das Meer oder hier das brackige Hafenwasser, wo der Perlfluss in den Ozean mĂŒndete.
Die Lichter der Lampen spiegelten sich unregelmĂ€Ăig in der wogenden WasseroberflĂ€che und bildeten gemeinsam mit den Feuern der Hafenarbeiter eine funkelnde Kulisse fĂŒr das Eintreffen des letzten Boots. Der Rest der Flotte war heute den ganzen Abend ĂŒber eingetroffen, in einer ordentlichen Reihe, wenn auch spĂ€ter als erwartet.
Noch musste ZhÄng sich um seine Leute kĂŒmmern, Befehle erteilen und sicherstellen, dass sie so ausgefĂŒhrt wurden, wie er es wollte. Zheng verstand das. In ihrer Jugend wĂ€re sie jetzt vermutlich schon ungeduldig geworden, warum er nicht gleich zu ihr eilte, aber inzwischen wusste sie eine gut organisierte Flotte stĂ€rker zu schĂ€tzen als eine dahinrauschende Beziehung.
Sie nahm noch einen Schluck Tee und begann sich den Opium-Aufzeichnungen zu widmen â wĂ€hrend ihr Mann beschĂ€ftigt war, konnte sie noch einige letzte Aufgaben erledigen. Sie genoss die Arbeit als OpiumhĂ€ndlerin, es war weniger abenteuerlich und sie konnte weniger oft aufs Wasser hinaus â aber es musste trotzdem einiges organisiert und geplant werden. Diese BeschĂ€ftigung passte besser zu ihrem alternden Körper als die Piraterie und gab ihr trotzdem genug zu denken â mit weniger Toten.
Das Schiff hatte angelegt, die Matrosen und Soldaten strömten auf den Kai. Kisten wurden abgeladen und es herrschte einiges an GeschĂ€ftigkeit, auch wenn der GroĂteil der notwendigen Arbeiten vermutlich erst morgen bei Tageslicht erledigt werden wĂŒrde. Aber alte Gewohnheiten waren nur schwer abzulegen und so konnte Zheng zwei weitere Listen kontrollieren, bevor Hafen relative Ruhe einkehrte.
Sie hatte die HĂ€lfte der nĂ€chsten Tourplanung abgeschlossen, bevor sie seine Schritte im Haus hörte. Inzwischen war es weit nach Mitternacht. âEine wundervolle Nacht, meine Königinâ, sagte er als er eintrat.
Zheng Yisao gilt als die erfolgreichste Piratin der Geschichte. Am Höhepunkt ihrer Macht kommandierte sie eine Piratenflotte von mindestens 80.000â100.000 Mann auf mindestens 800â1000 Schiffen. Sie setzte mehrere Gouverneure ab und beherrschte ein riesiges Gebiet. Sie hatte schlieĂlich solch eine groĂe Macht, dass sie ihre eigene Amnestie ohne Nachteile ausverhandelte und sich zur Ruhe setzen konnte. Von da an betrieb sie ein Casino und Opiumschmuggel und lebte in Frieden und Wohlstand. (* 1775; â 1844)
© Sophola 2022-08-29