2. JUST ONE DAY

Mia Kim-Perri

by Mia Kim-Perri

Story

Als Chloé kommt, bricht sie bei meinem Anblick in Tränen aus. Vorsichtig streicht sie mir übers Haar und als sie ihre Hand zurücknimmt, sehe ich, dass Blut – MEIN Blut! – aus MEINEM Kopf an ihrer Hand klebt. Im Krankenhaus wird meine Kopfwunde genäht. Der junge Grey‘s Anatomy Arzt, der meine weiteren Verletzungen protokolliert, sieht mich besorgt an und sagt: „Sie sollten dieses Schwein anzeigen.“ Ich nicke nur, weil mir das Sprechen immer noch schwer fällt. Mein Kopf wird von einem tyrannischen Brummen beherrscht und ich wünsche mir nichts sehnlicher als zu schlafen. Sie behalten mich für eine Nacht da. Ich muss Chloé fast beknien, bis sie bereit ist, ihre Wache an meinem Krankenbett aufzugeben und nach Hause zu geben. Wieder ist sie den Tränen nahe und verspricht, dass sie morgen noch vor der Arbeit vorbei kommt und mir die Schlüssel bringt, damit ich in ihre Wohnung kann.

Als der Arzt das Zimmer verlässt und ich alleine bin mit Neonlicht, Notklingel und dem sanften Brummen der Monitore, fühle ich mich so verlassen wie noch nie.

Am nächsten Tag ruft Philip an. „Ich wollte nur mal hören, wie es dir geht.“ Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll. Auf keinen Fall will ich ihm die Wahrheit sagen und so bringe ich nur heraus: „Ich hab’s mir überlegt.“ Philip klingt fröhlich: „Wusste ich`s doch! Wer könnte schon Nein sagen zu der Show, einem kostenlosen Apartment und mir!?“ Ich muss über Philips Eigenlob lachen, das erste Mal seit Hs. Gewaltausbruch. „Du hast das kostenlose Mittagessen, die Aktien und VIP-Partys vergessen.“ „Ja, gut dass du das erwähnst. Vergiss nicht, morgen ist die Filmpremiere. Ich hab extra die Loge für uns gebucht, ganz exklusiv, nur das Beste für meine Mitarbeiter!“

Als ich Chloé mitteile, dass ich mit Sack und Pack in die Firma einziehen werde, versucht sie entsetzt, mich davon abzubringen. Ich könnte nicht sicher sein. Ich würde Philip doch gar nicht richtig kennen. Was, wenn er ein Seelenfänger ist, der sich Personen aussucht, die in einer prekären Lage stecken, um sie für seine Zwecke zu benutzen?

„Du meinst, Verschleppung, Menschenhandel, Versklavung?“

Chloé sieht mich ernst an: „Das ist nicht witzig!“

So war es auch nicht gemeint. Natürlich besteht die Möglichkeit, dass dies der große Fehler meines Lebens werden könnte und natürlich hätte ich eine Weile bei Chloé bleiben können, doch um ehrlich zu sein, brauchte ich nach den Ereignissen der letzten Wochen ein bisschen Abenteuer – und Philip und seine Firma erinnerten mich vom Inhalt her an die Anfänge eines Garagen-Start-Ups, nur mit dem Unterschied, dass Philips Gelände mit Villen, Marmor und altertümlichen Steinfiguren mehr hermachte.


 


© Mia Kim-Perri 2023-09-01

Genres
Novels & Stories
Moods
Dunkel, Emotional, Traurig, Sad
Hashtags