by GabyM
Spontanurlaub Weihnachten 1980, nachdem ich einen Anruf meines Freundes erhielt mit den Worten: “Kommst du Palermo”. Allen Verboten und Vorwürfen meiner Mutter zum Trotz, wie gefährlich es wäre als 21jährige allein nach Sizilien zu fahren, hab ich mir sofort eine Zugkarte besorgt und um Urlaub gebeten.
Am Christtag gings los. Nach tränenreichem Abschied von meinen Eltern und weiteren Warnungen ja vorsichtig zu sein (man kannte Sizilien nur im Zusammenhang mit Mafia, Raub und Mord ) suchte ich mir ein Abteil im Zug und hatte das Glück gleich auf zwei Studenten zu treffen, die bis Rom fuhren. Die Burschen wollten auf mich und mein Gebäck aufpassen. Wir hatten richtig Spass und als wir in Rom angekommen waren, trennten sich unsere Wege, nachdem sie mich zu meinem nächsten Zug gebracht hatten.
Ich sprang rein und lief im Zug scheinbar ewig bis ich ein freies Abteil fand. Ich blieb allerdings nicht lang alleine und wurde immer wieder angesprochen. Im Kopf geisterten die Horrorgeschichten meiner Eltern und ich versuchte daher jede Unterhaltung sofort mit den Worten: “ich versteh nichts” im Keim zu ersticken, obwohl ich einiges an Italienisch konnte aus meiner Schulzeit.
Ich versuchte die herrliche, mediterrane Landschaft zu geniessen bis mich ein junger Zollbeamter in Uniform erneut ansprach und sich nicht abwimmeln ließ. Als ich ihm ebenfalls kurz ein “ich versteh nichts” an den Kopf geworfen hatte, sprach er mich auf Deutsch an. Ich kam aus dem Staunen nicht raus, dass mir so weit südlich in Calabrien jemand begegnete, der im gebrochenen Deutsch Fragen stellte. Er erzählte, dass er auf der Heimreise nach Catania wäre und fragte wo ich denn hin wollte. Ich erzählte, dass ich auf den Weg nach Palermo wäre, wo ich vom Bahnhof abgeholt werden würde von meinem Freund. Darauf sagte der Zollbeamte, dass ich mich im falschen Zug bzw. Abteil befände, da dieser Teil nach Catania fahren würde. Ich wurde kreidebleich und malte mir im Kopf das Chaos aus, wie ich mutterseelenallein in Catania am Bahnhof steh und wie ich dann nach Palermo kommen sollte. Handys gabs ja noch keine, aber der nette Zollbeamte versprach, mich am Schiff bei der Überfahrt nach Sizilien, in die richtigen Waggons zu bringen. Nachdem Catania und Palermo zwei rivalisierende Städte waren, bot er sofort an, dass ich, falls ich doch nicht von meinen Freund abgeholt werden würde, ihn sofort anrufen könnte und dann Urlaub in Catania in seinem Haus verbringen könnte. Das gebiete die Ehre der Sizilianer, meinte er lächelnd. Er zeigte mir noch am Schiff die herrliche Aussicht auf die beleuchtete Küste, danach suchte er mit mir im Schiffsrumpf nach den passenden Waggons und dort nach einem Platz bei einer Familie aus Palermo. Ihnen nahm er das Versprechen ab, auf mich zu achten bis ich in Palermo abgeholt werden würde und gab ihnen und mir seine Telefonnummer.
Nach langen 35 Stunden kam ich glücklich in Palermo an.
Niemals vergesse ich die netten, hilfsbereiten Menschen die ich traf.
© GabyM 2019-05-08