Da oben gibt’s kein Bier

Christine_Bernstein

by Christine_Bernstein

Story
Stolberg Harz 2025

Meine Wanderung zum Josephskreuz auf der Josephshöhe in Stolberg.

Mein Wochenende versĂĽĂźte ich mir im Harz und buchte ein Appartement auf zwei Etagen – mitten in Stolberg. Fachwerkhäuser, aneinandergereiht, so weit das Auge blicken kann. Wunderschön! Den Samstag, mitten im April, bei mindestens 20 Grad und blauem Himmel inklusive Sonnenschein, lieĂź ich mir nicht entgehen – und wanderte los, den Weg hinauf zum Josephskreuz. Das größte Doppelkreuz der Welt! Ich bestieg den Berg – zu FuĂź, mit einer kleinen Flasche Wasser, fĂĽnf Euro in bar und meiner Geldkarte. Der FuĂźmarsch war anstrengender als erwartet. Der Weg war steinig, gespickt mit Wurzeln und Stolpersteinen. Der Pfad fĂĽhrte mich durch einen schmalen Waldweg, links und rechts dicht bewachsen mit sehr jungen Nadelbäumen. Es fĂĽhlte sich an wie ein Märchenwald – voller Magie und Abenteuer. Meine Fantasie ging mit mir durch. Der Weg wollte einfach nicht enden und erschien mir zuerst undurchsichtig – wie ein Weg ins Ungewisse. Doch dann kamen mir Wanderer entgegen. Erleichterung machte sich breit – es war der richtige Weg! NatĂĽrlich wĂĽnschte ich ihnen einen guten Wandertag und sprach sie an: „Wie weit ist es noch?“ – „Es ist noch eine anstrengende Strecke – so zwei Kilometer. Aber es geht. Da oben gibt’s Bier.“

“Da oben gibt’s Bier.” Das waren seine letzten Worte. Ich musste schmunzeln. Mit einem Dankeschön ging ich meines Weges weiter. Der Himmel war strahlend blau, Sonnenstrahlen durchfluteten die Bäume. Der Weg wurde steiler. Ich traf wieder auf Wanderer und kam mit ihnen ins Plaudern. Und wieder lautete der letzte Satz meiner Mitwanderer: „Da oben gibt’s Bier.“ Ich konnte mein verschmitztes Lächeln nicht zurĂĽckhalten. Kurz darauf kamen mir noch zwei, drei Wanderer entgegen – auch sie verabschiedeten sich mit den berĂĽhmten Worten. Wieder in der Variante: „Da oben gibt’s Bier.“ Okay, dachte ich. Da oben gibt’s Bier… oder auch nicht? Mein Plan stand fest: Ich wĂĽrde dort oben ein kĂĽhles Blondes trinken. Ha! Jetzt freute auch ich mich auf dieses Glas Bier – auf die kleine Belohnung, auf das gemeinsame Ritual aller Wanderer, das den langen, steinigen Weg runter-spĂĽlt. “Da oben gibt’s ja Bier”. Oben angekommen, verschaffte ich mir erst mal einen Ăśberblick. Erstens: das Josephskreuz – direkt vor meinem Blick. Zweitens: das BierstĂĽble, direkt daneben. Ich sah mich um – und spĂĽrte die kleine Enttäuschung: nur Barzahlung. Keine Kartenzahlung! Mist. Aber egal – ich hatte ja fĂĽnf Euro in bar dabei. Doch das Josephskreuz kostete vier Euro Eintritt. Ebenfalls nur bar. Die Geldkarte? Nutzlos. Und so stand ich vor der Entscheidung: “Bier – oder Aussicht?” Ich entschied mich kurzerhand fĂĽr die Aussicht. Ich wĂĽrde mein wohlverdientes Bier eben später im Tal genieĂźen – in einem der herrlichen Restaurants am Marktplatz, drauĂźen, in der Sonne. “Da oben gibt’s Bier” – aber diesmal nicht fĂĽr mich. Und weiĂźt du was? Es störte mich nicht im Geringsten. Ich genoss das traumhafte Wetter, die herrliche Aussicht – und entspannte mich auf einer Bank, ganz fĂĽr mich allein. Ich zog Schuhe und StrĂĽmpfe aus, schloss fĂĽr einen Moment die Augen – und vergaĂź alles um mich herum. Dabei dachte ich mir: Ja, das ist die Geschichte des Tages. Oder besser noch – das Zitat des Tages: „Da oben gibt’s Bier.

© Christine_Bernstein 2025-04-12

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Humor & Satire
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Abenteuerlich, Komisch
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