Mein Vater war Bergbauer. Das Haus hing im Hang. Flache Straßen? Ganz wenige. Die wirklich wichtige Straße war die Verbindung zum Hof. Die Lebensader des Betriebs und der Familie.
Kaum hatte man den Hauptweg im Tal verlassen, ging’s immer nur aufwärts. So ging ‘s an auf Nischen im Berg gelegenen Gehöften vorbei, die meist auch zu kurzen Rasten genutzt wurden. Für die Pferde sowieso, aber auch die Alten standen an diesen Plätzen, um etwas zu verschnaufen, wie sie sagten.
Das letzte Stück der Straße war dann unser Stück. Mein Vater fühlte sich für deren Erhalt und Pflege allein zuständig. Kam auch kaum einmal ein anderer so hoch herauf. Wenn doch, meist in schlechter Sache. Ein Beamter, ein Polizist, ein Jäger, …. Mein Vater meinte dann: »Na, den hätt’ ma a net braucht!«
Die Zufahrt, die Abfahrt, die Ader. Mein Vater hatte sie immer im Blick. Der Kies, lag er fest, die Querrinnen, würden sie das in Fluss geratene Regenwasser noch zuverlässig ableiten?
Tauwetter, der Frost hatte den Boden gelockert, noch ein Regen dazu und schon grub sich ein Gerinne im Straßenbelag ein.
Sobald das Wetter es zuließ, rückte mein Vater mit Schaufel, mit Spitzhacke und Schubkarren aus, die Querrinnen auszubessern, die Rillen und Rinnen im Boden wieder mit Schotter aufzufüllen. Das Material dazu lag meist ausreichend im grünen Band neben der Straße. Hier legte sich das Material in Zungen fein sortiert nach Steinen und Sand auf dem Rasen ab. Meist reichte ihm die Schaufel. War der Weg länger, benutzte er die Schubkarre.
Ab meinem zehnten Lebensjahr nahm er mich mit zu dieser Arbeit. Ich atmete seinen Geist ein. Seine Sorge um den Erhalt der Straße und die Nutzbarkeit des grünen Bandes daneben, auf dem er wieder Grünfutter mähen wollte, sobald das Gras hoch genug stand, ich sog sie ein. Die sommerlichen Gewitterstürme brachten oft gnadenlos viel Wasser mit sich, das unsere Ader zur Außenwelt fortzureißen sich bemühte. Da kam schon mal abschnittsweise der Fels zum Vorschein, was meinen Vater sehr bekümmerte. Tagelange Arbeit. Mit dem Schubkarren alleine war das nicht mehr zu machen. Es mussten die Pferde und der Schotterwagen herhalten. Nicht einfach, die Pferde mit ihren Hufeisen fanden nur schwer Halt auf den nackten Felsen. Berg runter blockierte mein Vater die Hinterräder. Bergauf kam es vor, dass ein Pferd auf der Felsplatte ausrutschte und auf die Knie fiel, obwohl der Wagen nur mit Bedacht mit Schotter beladen wurde. Die Knie schwollen an, ein Ödem. Meinem Vater war die Sorge anzumerken. Wir klatschten den schweren pechigen Schotter auf den Fels, der sich in den Rillen und Spalten verbeißen sollte.
Mein Schicksal: Ich bin längst weit weg vom Hof meiner Eltern am Berghang. Aber wenn ich in der Landschaft unterwegs bin … auf Güterwegen …, verspüre ich noch immer den Impuls, Schlaglöcher auszufüllen, Schotter und Sand aus dem grünen Band daneben zu bergen und alles auf die Fahrbahn zurück zu schippen. Mir ist das Wege-Bauen im Blut!
© Florian Puckmayr 2021-09-10