Der Letzte Flug, Teil 1

Olaf Maly

by Olaf Maly

Story

Wir hatten die Maschine gefunden. Zwei Tage waren wir herumgeflogen und haben nach einem Stück Metall gesucht. In einer Wildnis, die so unendlich groß ist, dass Worte nur eine Entschuldigung sind für unsere Unzulänglichkeit, sie zu beschreiben. Endlose Weiten, voll nur mit Bäumen, Gras und Einsamkeit.

Die Suche musste mehrmals unterbrochen werden, wegen des schlechten Wetters. Es ist eigentlich nie gutes Wetter hier oben in Alaska. Manche sagen, wenn die Sonne scheint, sollte man nicht auf die Toilette gehen, sonst würde man es verpassen. Das schöne Wetter. An diesem Tag aber hatten wir ein wenig Glück.

Wir sahen sie. Das heißt, Frank bemerkte sie zuerst und deutete auf die Stelle, die er im Blick hatte. Dort war sie, die Havilland DH 2 Beaver. Das perfekte Flugzeug für die Einsätze hier im Norden. Sie lag schwer verwundet, mit nur einer Tragfläche, am Hang. Einer der Wasserschwimmer war abgebrochen und befand sich unterhalb, dort, wo die Neigung des Berges in ein kleines Tal übergeht. Der muss als erstes abgebrochen sein, dachte ich mir. Er lag keine hundert Meter vor und in der Richtung der Absturzstelle. Es war eine grüne Weide, die sich sanft in einem schwachen Winkel am Berg nach unten verlängerte. Man konnte sich sehr gut Kühe darauf vorstellen. Es fehlte nur noch eine kleine Hütte, dort oben, zwischen den Krüppelkiefern, die verstreut ein bisschen Panorama abzugeben versuchten. Es wäre ein perfektes Bild der Ruhe und Natur gewesen. Nur gab es keine Kühe hier oben in Alaska. Elche gab es, Bären und Wölfe, aber keine Kühe.

Wir landeten in einem kleinen Tal, etwa zwei Kilometer weg von der Unfallstelle, sicherten unsere Maschine, nahmen Rucksäcke, Seile, Spaten, Wasser und stiegen auf. Als wir ankamen, sahen wir ihn. Er saß in seinem Sitz, hatte die Hände am Steuerhorn und lächelte. Blut war aus einer Wunde an seinem Kopf geronnen. Seitlich über dem rechten Ohr. Sonst war nichts Besonderes zu sehen, keine großen Verletzungen.

Langsam machten wir Armin von seinen Gurten frei und nahmen ihn behutsam aus seinem Sitz. Er war schwer geworden. Als er vor vielen Jahren ankam, war er zwar schon mittleren Alters, aber immer noch sehr rüstig und schlank. Er stand auf einmal in der Tür des Flughafengebäudes, einem Platz mit einer Startbahn und ein paar Holzschuppen, in denen man die Maschinen bei schlechtem Wetter unterstellen konnte. Dazu gab es noch so etwas wie einen Aufenthaltsraum in dieser Blechhütte, aus der ein altes Ofenrohr stakste, das unablässig Rauch in den meist grauen Himmel quellen ließ. Jemand hatte auf ein Holzbrett „Lounge – First Class“ gemalt und es über die Tür genagelt. Alles, was es dort gab, war eine alte durchgesessene Couch und zwei Sessel, mit einem Tisch davor, auf dem uralte Illustrierte lagen, die irgendwann mal jemand dort vergessen hatte. In der Ecke standen ein Schreibtisch, darauf das Mikrofon und eine Funksprechanlage, um mit den Piloten, die unterwegs waren, in Kontakt bleiben zu können.

© Olaf Maly 2022-03-26

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