Detektei HELIOS in Wien

Peter Pokorny

by Peter Pokorny

Story

In einer eiskalten Nacht im Winter des Jahres 1888 saß einst ein gewisser Johann Müller, seines Zeichens Kriminalkommissar, hinter dem Fenster seiner Kanzlei in Berlin und schaute dem dichten Schneetreiben zu. Nach dem dritten Grog traf er aufgrund einer privaten Angelegenheit die Entscheidung, seinen Dienst bei der Polizei zu quittieren und Berlin für immer zu verlassen.

Nach einigen Zwischenstationen strandete er in Wien und wusste nicht so recht, wie er sein weiteres Leben gestalten sollte. Eine Bewerbung bei der österreichischen Polizei ging ins Leere. Seinen ursprünglich erlernten Beruf als Fleischer wollte er nicht mehr ausüben. Dann kam er auf die Idee, eine Art “Polizei” für Privatkunden ins Leben zu rufen. Letztlich gründete Müller im Jahre 1889 in der heutigen Bräunerstraße 3 im ersten Wiener Gemeindebezirk, im Nestroy-Geburtshaus, die Detektei HELIOS. Die Bräunerstraße ist eine Seitengasse des Graben und unweit des Stephansplatzes gelegen. HELIOS war die erste Detektei Österreichs, wenn nicht sogar die erste Detektei Europas. Damals gab es lediglich im Königreich der Franzosen das „Bureau des Renseignements“. Dies war eine Art Mischung aus einem Auskunftsbüro und einer Privatpolizei, also keine Detektei im üblichen Sinne.

Privatdetektiv Müller, der sich dauerhaft in Wien niederließ, sollte der Wegbereiter zumindest der österreichischen Berufsdetektive werden.

Schon im Jahre 1900 war die Detektei HELIOS unter der Fernsprechnummer „7506“ im Telefonbuch zu finden. Ab dem Jahre 1972 war HELIOS die erste Detektei in Österreich , deren Dienstfahrzeuge mit Autotelefonen ausgestattet waren.

Die Detektei HELIOS wurde im Jahre 1903 im Handelsregister gerichtlich protokolliert und im Folgejahr von der k. u. k. Regierung als erste Detektei Österreichs konzessioniert. Die Detektive befassten sich mit der Aufklärung von Warendiebstählen, mit der Überführung von Ehebrechern und Kinderschändern, aber auch mit der Suche nach verschwundenen Personen, etwa Väter unehelicher Kinder.

Durch eine Vielzahl erfolgreich aufgeklärter Fälle erlangte die Detektei HELIOS in den folgenden Jahren Ruhm, aber auch Neid durch Kollegen anderer Detekteien. Im Jahre 1916 hatte sie bereits einen Stand von 18.000 (!), seit ihrer Gründung bearbeiteter Akten erreicht. Die Detektei HELIOS fand sogar in der literarischen Aufarbeitung „Oberst Redl – der Spionagefall – der Skandal – die Fakten“ Erwähnung.

© Peter Pokorny 2020-05-16

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