Der Himmel leuchtet in seinen letzten dunklen Blautönen, bald wird es dunkel sein. Als die Tasse mit dem Kamillentee fast leer ist, seufze ich. Ich liege auf dem Sofa, krank und frustriert. Das geht nun schon seit Wochen so, und ich weiĂ mich kaum noch aufzumuntern. Schon alles gesehen, alles gelesen. Ich schlieĂe die Augen fĂŒr eine Weile und meine Gedanken flieĂen in einen Raum, den man nicht betreten kann, der nur fĂŒr die TrĂ€umenden ist. Plötzlich klopft es. Aber wo? Ich bin verwirrt. Ein kleines Scharren, ein kleines Knacken, und eine kleine Maus hĂŒpft aufs Sofa. Sie muss durch die TerrassentĂŒr gekommen sein. Sie zischt etwas in meine Richtung, und plötzlich ist sie nicht mehr klein, sondern ziemlich groĂ. Oder? Was ist das? Auf dem Sofa nehme ich kaum noch Platz ein, dafĂŒr ist das Kissen nun gigantisch. Die Maus und ich, wir sehen uns an und mĂŒssen lĂ€cheln. Hey, gar nicht so ĂŒbel! Sie wirft mir einen Strick zu, und wir seilen uns gemeinsam vom Sofa ab. Plötzlich steckt die ganze Wohnung voller Abenteuer! Was tun wir als Erstes? Kekse stibitzen? Auf die groĂe Palme klettern und die Aussicht genieĂen? Die Kissen herunterrutschen? Die Maus, die sich mir als Fred vorstellt, klopft mir aufmunternd auf die Schulter und wir huschen hinter mein BĂŒcherregal. Da ist ein Loch, denke ich besorgt, doch da bin ich schon darin verschwunden und lerne die ganze Familie Maus kennen. Maus Mira und die Kleinen. Ich schaue an mir herab und fĂŒhle mich wohl in meiner Winzigkeit. Und kein einziges Husten entweicht mir! Keine Schmerzen! Ich hĂŒpfe, und die kleinen MĂ€use werden ganz aufgeregt. Gemeinsam beschlieĂen wir, einen literarischen Spaziergang durch die Regale zu machen, von Leo Lionnis Frederick bis zu Steinbecks Von MĂ€usen und Menschen. Plötzlich erlebe ich meine BĂŒcher aus einer völlig neuen Perspektive! Wir arbeiten uns an dĂŒsteren Graphic Novels wie Maus vorbei, die Zugmaus nimmt uns mit auf eine Reise zum Mausmeer. Inzwischen sind wir in den oberen Regalreihen angelangt. Der Blick von dort nach unten auf den Teppich lĂ€sst mich staunen! Was fĂŒr eine Höhe! Doch fĂŒr die MĂ€use ist das alles kein Problem, sie sind so geschickt, wie sie von Buch zu Buch springen und leicht mit Hilfe ihres Schwanzes nach oben schwingen. Fred klopft gegen einen BuchrĂŒcken und lĂ€chelt voller Stolz: Die MĂ€usestrategie fĂŒr Manager lese ich. Mira und die Kleinen tummeln sich zwischen den KinderbĂŒchern. Ich stolpere ĂŒber eine alte Kassette, die sich hinter den BĂŒchern versteckt hatte: Die Reisemaus. Doch wie die Zeit der Kassetten so endete auch unser literarisches Abenteuer; wir machten uns an den Abstieg. An einer HĂ€ngepflanze seilten wir uns herab. Die kleinen MĂ€use waren mĂŒde geworden und huschten ins Mauseloch. Mit Fred und Mira ging ich weiter und fĂŒhlte mich glĂŒcklich und sehr mĂ€usig. Plötzlich stieg mir ein Duft in die Nase. Ich schnĂŒffelte. Kamillentee? Ich schlug die Augen auf, und sah mich um. DrauĂen war es inzwischen dunkel. Ich lag auf dem Sofa, irgendwas war komisch. Auf einmal kam ich mir so riesig vor. Und wo war Fred? Als ich mir einen neuen Tee kochte, vernahm ich aus der Ecke des BĂŒcherregals ein leises Rascheln…
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