Wolkenstein, 22.02.2019. Eine Woche Schiurlaub mit unseren drei Kindern und zwei Enkelsöhnen liegt hinter uns. Beim Abschied gibt mir unsere Vermieterin einen handgeschnitzten kleinen Holzengel mit â weil ich in dieser Woche Geburtstag hatte. Nach dieser Heimfahrt war nichts mehr so, wie es einmal war.
âLuise, was wĂŒrdest du machen, wenn du dich verliebst? Und weiĂt, dass es nicht sein darf?â Mit dieser Frage meines Mannes eröffnete sich ein Abgrund, der mich zu verschlingen drohte. Der mein bisheriges Leben, 45 gemeinsame Jahre â davon fast 38 Jahre als Ehepaar â mit einem Schlag beendete. Niemals hĂ€tte ich mir gedacht, dass UNS das passieren könnte. Und doch â rĂŒckblickend betrachtet â war es unser Weg. Ob es dieser Engel war, der uns in der nun folgenden Zeit begleitete, diesen Leitstern mitgab? So wie es war, so war es gut. Das wollten wir am Ende unseres Lebens einmal sagen können. Auch wenn dies zum damaligen Zeitpunkt fast nicht vorstellbar schien â das Festhalten an dieser Vision hat uns geholfen, dort zu landen, wo wir heute sind. Drei Wendepunkte gab es auf diesem Weg.
Liebe deinen NĂ€chsten wie dich selbst. Ich erkannte, dass mein GlĂŒck niemals davon abhĂ€ngen kann, ob ein anderer mich fĂŒr des Liebens wert erachtet oder nicht (mehr). Ich alleine bin fĂŒr mein GlĂŒck verantwortlich â das beginnt damit, dass ich mich selbst lieben lerne. Mit allen meinen guten und meinen schlechten Seiten.
Die Macht der Vergebung zu erkennen war der zweite Wendepunkt. Meine Fehler zu sehen, meinen Anteil an unserer Entwicklung â das war zunĂ€chst fast nicht auszuhalten. Radikale Akzeptanz und Innenschau legten den Hebel um. Ich konnte mich selbst annehmen, mir vergeben. Und mich so auch von dem Groll gegen den nach auĂen hin Schuldigen befreien, indem ich auch ihm vergab. Wir hatten beide nicht anders handeln können.
Wendepunkt Nr 3 kam, als mir bewusst wurde, dass ICH es bin, die dem Wort Scheitern seine Bedeutung gibt. Nur weil wir als Ehepaar nicht bis zum Ende unserer Tage unter einem Dach wohnen â sind wir deshalb gescheitert? Ich bin dankbar fĂŒr die Frau, die ich geworden bin. FĂŒr die nunmehrige Freundschaft mit dem Mann, den mir das Leben als den Vater unserer wunderbaren Kinder geschenkt hat. DafĂŒr wĂŒrde ich ihn immer wieder heiraten!
NatĂŒrlich darf die Wunde noch schmerzen, dass wir unsere Liebe als Paar nicht bewahren konnten. Dass es uns nicht gelungen ist, ihr eine zweite Chance zu geben. Jede Heilung braucht ihre Zeit. DafĂŒr gab es unerwartete Engel auf meinem Weg, die mich beglei(te)ten. Wie dankbar bin ich auch dafĂŒr! Ich liebe meine neu gewonnene Freiheit. 95 möchte ich gerne werden, habe ich beim Universum deponiert. Die Zeit bis dahin ist genauso lang wie die von 35 bis 65. Ein Geschenk, das es Tag fĂŒr Tag anzunehmen gilt.
DemnĂ€chst breche ich auf nach Graz, in die Stadt, in der ich als 18jĂ€hrige Luise schon einmal einen neuen Lebensabschnitt begonnen habe. Der Engel aus SĂŒdtirol bekommt einen besonderen Platz in meinem neuen Zuhause.
© Luise Maria Sommer 2021-08-21