Fliegende Schweine

Margot Lamers-Zigan

by Margot Lamers-Zigan

Story

Philippa war komplett von den Socken. Gerade noch hatte sie die “Unicorn Academy” geguckt, dann war der Bildschirm plötzlich dunkel geworden. Und ihr im nächsten Moment schwarz vor Augen. Außerdem verspürte sie einen seltsamen Druck auf den Ohren. Als sie Teds weiche Pfoten erkannte, beruhigte sie sich. Sie hatte ganz vergessen, dass sie ihn mit runter genommen hatte. Doch wem gehörten die kühlen Hände auf ihren Augen? “Mama?”, fragte sie vorsichtig, da legte sich auch noch etwas Pelziges auf ihren Mund. Sie hätte schwören können, dass es ein Bein war, doch wie war das anatomisch möglich? “Du bist wirklich sehr beweglich”, lobte Mary den verrenkten Ted. “Danke”, keuchte der atemlos, “Barbies Yogaunterricht und das regelmäßige Twister spielen machen sich allmählich bezahlt. In meinem Alter sind regelmäßige Dehnübungen wichtig. Aber verrat mir mal bitte, wo die Mutter bleibt. Lange halte ich das nämlich nicht mehr aus.” Mary zuckte nur hilflos mit den Schultern. Die Mutter nahm von alldem keine Notiz und klapperte emsig mit Geschirr und Besteck, öffnete und schloss Schubladen und die Türen der Küchenschränke und war ganz in ihre Arbeit versunken. Verzweifelt bemühten sich die Minions, ihre Aufmerksamkeit zu erhaschen. Krallten sich an ihre Knöchel und machten allerlei Schabernack. Vergeblich. Mutti machte wie jeden Abend klar Schiff in der Küche und hatte weder Augen noch Ohren für anderes. Die gruseligen Geräusche aus dem Fernseher erreichten sie nicht. “Lasst euch was einfallen”, rief Ted eindringlich. “Lange können wir sie nicht mehr halten.” Philippa hatte zu zappeln begonnen und versuchte sich von Knebel und Blende zu befreien. Das qualvolle Stöhnen im Fernseher wurde lauter. Die Minions fingen kollektiv an zu weinen. Da lugte eine Bleistiftspitze um die Ecke. Nein, es war Pinocchio, stellten sie erleichtert fest. Der Hampelmann hatte wieder mal nicht auf die Befehle des Anführers gehört und kam nun etwas hölzern in die Küche gestakst. Er schielte in Richtung Küchentheke und verkündete: “Schweine können fliegen! Kühe trinken am liebsten Lumumba!” Die Minions warfen sich verstörte Blicke zu. Hatte Pinocchio eine Gehirnerschütterung? Oder, schlimmer noch, einen Schlaganfall? Er wirkte irgendwie nicht ganz dicht. Dann wurde ihnen sein Plan schlagartig klar. Pinocchios Nase wuchs Zentimeter um Zentimeter. Der Hampelmann winkte den gelb-blauen Zwergen zu und sie kletterten behende die selbst konstruierte Leiter empor. “Erwachsene haben immer recht!”, presste die Marionette näselnd hervor und der Riechkolben erreichte endlich die Anrichte. Flink hopsten die Minions darauf, rannten zur Spüle und griffen sich einen der von Hand gespülten Teller. Ein kräftiger Schubs und das Porzellan zerbarst mit lautem Klirren auf dem Küchenboden. Die Mutter schrie erschrocken auf, im nächsten Augenblick wandte sie sich beruhigend an ihre Tochter auf der Couch. “Alles gut, mir ist nur ein Teller heruntergefallen. Sag mal”, die Mutter stutzte und warf einen prüfenden Blick auf den Fernseher, auf dem alles andere als Einhörner zu sehen waren. “Was um Himmels willen guckst Du da? Das ist ja grauenhaft. Schalt das sofort aus!” Als ihre Tochter nicht reagierte, stürzte sie zur Couch, riss die Fernbedienung an sich und schaltete den Fernseher aus. “Ich bin sehr enttäuscht von Dir. Eine Woche Fernseh- und Tabletverbot!” Philippa, die plötzlich wieder sehen und hören konnte, verstand die Welt nicht mehr und rannte schluchzend auf ihr Zimmer. Dicht gefolgt von einer bedrückten Spezialeinheit.

© Margot Lamers-Zigan 2024-02-20

Genres
Novels & Stories
Moods
Abenteuerlich
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